palmis - zhenferro vertrauen

palmis - zhenferro vertrauen

palmis - zhenferro vertrauen


Lucía merkte zuerst ihr eigenes Herz, das schmerzhaft in ihrer Brust schlug und ihre Entscheidung ungläubig zur Kenntnis nahm. Der Recolt in ihrer Hand fühlte sich plötzlich zu schwer und zu kalt an, so, als wollte selbst ihre Waffe ihr mitteilen: Lass sein, das führt zu nichts.

Gegenüber von ihr lagen die Finger von Zhenferro locker um seine eigene Waffe, der Finger jederzeit bereit, den Abzug zu drücken. Seine beiden Begleiter richteten ihre Waffen auf Basilio und ließen ihn keine Sekunde aus den Augen. Es war eine festgefahrene Situation, in der niemand den ersten Schuss setzen wollte, wissend um die Gefahr einer einzigen verirrten Kugel.

Ein escorialisches Standoff, wie es im Buche stand.

Und dennoch: In den Augen von Zhenferro lag nichts von Verschlagenheit oder Verrat. Vielmehr lagen echtes Bedauern über ihre Situation und die Hoffnung auf einen friedlichen Ausgang darin.

Oder aber er war schlichtweg meisterhaft darin, seine Augen nichtssagende Worte sprechen zu lassen.

»Weder Saints noch Sinners müssen heute Nacht sterben, meine Liebe«, sagte er leise, mit jener Höflichkeit, die ihn ausmachte. »Unsere Wege mögen sich gekreuzt haben … es wäre allerdings schade, wenn sie hier enden müssten.«

Lucías Finger lagen so fest um den Griff, dass sie schmerzten. Trauen. Nicht trauen. Wenn er lügt, sind wir tot. Wenn er nicht lügt und ich schieße, sind wir vermutlich auch tot. Sie spürte Basilio neben sich und wusste, dass er diese Zweifel nicht gehabt hätte. Hätte er hier das Kommando, dann wären schon längst die Kugeln geflogen.

Es hatte allerdings einen Grund, weshalb sie es war, die solche ausweglosen Situationen schon immer gelöst hatte.

Sie atmete einmal, als müsse sie einen Knoten lösen, und ließ die Waffe um eine Fingerbreite sinken. Es knirschte in ihrer Schulter. Noch eine Fingerbreite. Dann war die Mündung auf ihrem Oberschenkel, und es fühlte sich an, als hätte sie gerade ein Blutbad verhindert – oder nur ihr eigenes Leben riskiert.

»Palmis.« Die offene Handfläche: das Zeichen der Recovains, dass der Weg der Gewalt an dieser Stelle sein Ende finden musste.

Basilio neben ihr verkrampfte kurz, und für einen Moment dachte sie, dass er dennoch schießen würde. Doch in dieser Hinsicht waren die Recovains eisern in ihrer Loyalität, in ihrer Befehlskette. Er stellte seine Waffe ohne Geräusch auf den Sicherheitsriegel; das Klack blieb in der Kehle stecken. Dann schaute er zu Zhenferro. »Sie sind Trinitriad«, sagte er. Es war keine Frage.

Zhenferro nickte nicht einmal; nur ein winziges, zufriedenes Ausschwingen um den Mund, als sei er gerade stolz auf zwei Enkel, die mit ihrem kindischen Unsinn aufgehört hatten. »Danke.« Es klang aufrichtig. »Ich bevorzuge Gespräche, die nicht durch den Lauf von Mündungen geführt werden.« Er drehte minimal den Kopf – wie ein Vogel, der sich nach der Sonne umdreht – und stieß ein kleines, helles Pfeifen aus. Die Drachen an seinem Hals schienen sich genüsslich zu strecken.

Sofort senkten seine Begleiter die Waffen und blickten wieder höflich nach vorn. Auch er verstaute seine Waffe, eine wuchtige Pistole mit Schalldämpfer, an seinem Gürtel und lächelte dann.

Die Gefahr war gebannt.

»Leider läuft Ihnen und uns die Zeit davon, sodass unser Gespräch sich auf einige wenige, doch nicht minder wichtige Worte beschränken muss. Ich habe heute Abend Geschäfte im Sanctum Sins. Ehrliche Geschäfte, soweit das Wort in dieser Stadt noch Sinn trägt. Doch auch Sie haben eine Mission, wie mir scheint. Ich wünsche Ihnen Glück.« Er nickte huldvoll den beiden Recovains zu.

Lucía hielt den Atem doch noch an. Zu freundlich. Zu glatt. Sag mir, was du willst. Laut fragte sie: »Weshalb sollten wir Ihnen glauben? Ist Ihr netter Glückwunsch am Ende nichts mehr als eine Kugel in meinem Rücken?«

Zhenferros Blick verengte sich für einen Moment. Es lag leichte Verärgerung darin. »Zweifeln Sie nicht mein Wort an, meine Liebe. Ich glaube noch an Regeln und Konsequenzen.« Sein Blick wanderte über Lucía hinweg und blieb an Basilio hängen – nicht neugierig, nicht feindselig, eher wie jemand, der einen alten Bekannten sieht und nicht mehr weiß, woher.

»Wie merkwürdig«, murmelte er. »Sagen Sie, mein Freund …« Er legte den Kopf leicht zur Seite, wie ein Spatz. Lucía konnte nicht anders, als genau dieses Tier in ihm zu sehen. »… haben wir uns schon einmal gesehen? Ich meine … hmm …« Er ließ die Worte fallen wie zu schwere Münzen.

Basilio ließ sich nichts anmerken außer dem kleinsten Anziehen eines Muskels am Kiefer. »Nein. Außer, Sie haben schon einmal in diese Mündung gesehen und überlebt, um davon zu berichten«, sagte er und strich über den Lauf des Recolts.

»Das wüsste ich«, gab Zhenferro zurück, und diesmal schimmerte ein belustigtes Lächeln durch, kurz und ehrlich. »Eine merkwürdige Nacht, in der Tat … erst diese einzigartige Runde Triptyque, jetzt das …« Er schüttelte den Kopf und fing sich wieder. »Wie dem auch sei … es war mir eine Freude. Lassen Sie uns beide dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten.«

Mit diesen Worten verstauten seine Begleiter mit kurzen, methodischen Bewegungen den Inhalt des Safes in einer Tasche – Lucía sah kurz einige Dokumente mit dem städtischen Siegel von Altareal, dem Regierungssitz Escorials, hervorblitzen, bevor sie ebenso schnell verschwanden. Dann beugte Zhenferro kurz den Kopf. Auch Lucía nickte unmerklich, bevor sie noch einmal das Wort an ihn richtete.

»Gehen Sie, bevor ich es mir anders überlege. Und ein Ratschlag: Kommen Sie uns nicht mehr in die Quere.« Auch Basilio verlagerte fast schon beiläufig sein Gewicht, sodass der Recolt jetzt an seiner Hüfte ruhte. Zhenferro lächelte nur.

»Wie nett von Ihnen. Dann erlauben Sie auch mir, Ihnen einen ehrlichen Ratschlag zu geben.« Wie aus dem Nichts erschien ein kleiner goldener Escodinar zwischen seinen Fingern, der leise im Licht der Lounge glänzte. »Lassen Sie sich nicht von Gier leiten … und wissen Sie, dass sich gierige Menschen besonders leicht blenden lassen, wenn Gold im Spiel ist …« Ebenso schnell verschwand die Münze wieder. Basilio schnaubte nur.

Zhenferro setzte zur Bewegung an, stoppte jedoch noch einmal, als sei ihm etwas Wichtiges eingefallen. Der Blick zurück auf Basilio war diesmal direkter. »Sollten wir uns noch einmal begegnen – und Sie wissen, wie sehr Escorial seine Wiederholungen liebt –, werde ich mich wieder erinnert haben. Ganz gewiss.«

Basilio erwiderte nichts; er ließ nur die Hand, die am Sicherungsstift ruhte, einen Hauch lockerer werden, als zeige er, dass er verstanden hatte.

Zhenferro pfiff erneut, ein kurzes »tsst«, und die beiden Begleiter traten gleichzeitig einen halben Schritt vor, in Richtung der Tür, durch die die beiden Recovains gekommen waren. Drei Körper, eine Linie. Er hob die Hand wie beliäufig zum Abschied.

Dann waren sie fort. Keine Spuren, außer einem feinen Mix aus Leder und Parfüm. Dann Stille.

Lucía blieb wie angewurzelt, die Waffe an den Oberschenkel gepresst, und erst, als ihre Finger schmerzten, löste sie den Griff und atmete aus. »Komischer Vogel«, sagte sie, mehr zu sich als zu Basilio.

Er ließ die Luft flach aus den Nasenflügeln, was bei ihm Lachen hieß. »Ich hätte ihn erschossen. Aber deine Methode hat auch funktioniert.«

»Ich hoffe, das hat sie«, murmelte Lucía, und in ihrem Kopf standen die Wörter nebeneinander wie drei grinsende Götzen.

Vertrauen. Gehen lassen. Später bereuen.

Schließlich senkte sie die Schultern, der winzigste Beweis ihrer Unsicherheit. »Gehen wir. Für heute habe ich genug von der Trinitriad.«

Allerdings konnte Lucía nicht ahnen, dass Zhenferro sein Versprechen gegenüber Basilio alsbald einlösen würde – und es alte Rätsel beantworten und neue Fragen auftun würde.


Lucía merkte zuerst ihr eigenes Herz, das schmerzhaft in ihrer Brust schlug und ihre Entscheidung ungläubig zur Kenntnis nahm. Der Recolt in ihrer Hand fühlte sich plötzlich zu schwer und zu kalt an, so, als wollte selbst ihre Waffe ihr mitteilen: Lass sein, das führt zu nichts.

Gegenüber von ihr lagen die Finger von Zhenferro locker um seine eigene Waffe, der Finger jederzeit bereit, den Abzug zu drücken. Seine beiden Begleiter richteten ihre Waffen auf Basilio und ließen ihn keine Sekunde aus den Augen. Es war eine festgefahrene Situation, in der niemand den ersten Schuss setzen wollte, wissend um die Gefahr einer einzigen verirrten Kugel.

Ein escorialisches Standoff, wie es im Buche stand.

Und dennoch: In den Augen von Zhenferro lag nichts von Verschlagenheit oder Verrat. Vielmehr lagen echtes Bedauern über ihre Situation und die Hoffnung auf einen friedlichen Ausgang darin.

Oder aber er war schlichtweg meisterhaft darin, seine Augen nichtssagende Worte sprechen zu lassen.

»Weder Saints noch Sinners müssen heute Nacht sterben, meine Liebe«, sagte er leise, mit jener Höflichkeit, die ihn ausmachte. »Unsere Wege mögen sich gekreuzt haben … es wäre allerdings schade, wenn sie hier enden müssten.«

Lucías Finger lagen so fest um den Griff, dass sie schmerzten. Trauen. Nicht trauen. Wenn er lügt, sind wir tot. Wenn er nicht lügt und ich schieße, sind wir vermutlich auch tot. Sie spürte Basilio neben sich und wusste, dass er diese Zweifel nicht gehabt hätte. Hätte er hier das Kommando, dann wären schon längst die Kugeln geflogen.

Es hatte allerdings einen Grund, weshalb sie es war, die solche ausweglosen Situationen schon immer gelöst hatte.

Sie atmete einmal, als müsse sie einen Knoten lösen, und ließ die Waffe um eine Fingerbreite sinken. Es knirschte in ihrer Schulter. Noch eine Fingerbreite. Dann war die Mündung auf ihrem Oberschenkel, und es fühlte sich an, als hätte sie gerade ein Blutbad verhindert – oder nur ihr eigenes Leben riskiert.

»Palmis.« Die offene Handfläche: das Zeichen der Recovains, dass der Weg der Gewalt an dieser Stelle sein Ende finden musste.

Basilio neben ihr verkrampfte kurz, und für einen Moment dachte sie, dass er dennoch schießen würde. Doch in dieser Hinsicht waren die Recovains eisern in ihrer Loyalität, in ihrer Befehlskette. Er stellte seine Waffe ohne Geräusch auf den Sicherheitsriegel; das Klack blieb in der Kehle stecken. Dann schaute er zu Zhenferro. »Sie sind Trinitriad«, sagte er. Es war keine Frage.

Zhenferro nickte nicht einmal; nur ein winziges, zufriedenes Ausschwingen um den Mund, als sei er gerade stolz auf zwei Enkel, die mit ihrem kindischen Unsinn aufgehört hatten. »Danke.« Es klang aufrichtig. »Ich bevorzuge Gespräche, die nicht durch den Lauf von Mündungen geführt werden.« Er drehte minimal den Kopf – wie ein Vogel, der sich nach der Sonne umdreht – und stieß ein kleines, helles Pfeifen aus. Die Drachen an seinem Hals schienen sich genüsslich zu strecken.

Sofort senkten seine Begleiter die Waffen und blickten wieder höflich nach vorn. Auch er verstaute seine Waffe, eine wuchtige Pistole mit Schalldämpfer, an seinem Gürtel und lächelte dann.

Die Gefahr war gebannt.

»Leider läuft Ihnen und uns die Zeit davon, sodass unser Gespräch sich auf einige wenige, doch nicht minder wichtige Worte beschränken muss. Ich habe heute Abend Geschäfte im Sanctum Sins. Ehrliche Geschäfte, soweit das Wort in dieser Stadt noch Sinn trägt. Doch auch Sie haben eine Mission, wie mir scheint. Ich wünsche Ihnen Glück.« Er nickte huldvoll den beiden Recovains zu.

Lucía hielt den Atem doch noch an. Zu freundlich. Zu glatt. Sag mir, was du willst. Laut fragte sie: »Weshalb sollten wir Ihnen glauben? Ist Ihr netter Glückwunsch am Ende nichts mehr als eine Kugel in meinem Rücken?«

Zhenferros Blick verengte sich für einen Moment. Es lag leichte Verärgerung darin. »Zweifeln Sie nicht mein Wort an, meine Liebe. Ich glaube noch an Regeln und Konsequenzen.« Sein Blick wanderte über Lucía hinweg und blieb an Basilio hängen – nicht neugierig, nicht feindselig, eher wie jemand, der einen alten Bekannten sieht und nicht mehr weiß, woher.

»Wie merkwürdig«, murmelte er. »Sagen Sie, mein Freund …« Er legte den Kopf leicht zur Seite, wie ein Spatz. Lucía konnte nicht anders, als genau dieses Tier in ihm zu sehen. »… haben wir uns schon einmal gesehen? Ich meine … hmm …« Er ließ die Worte fallen wie zu schwere Münzen.

Basilio ließ sich nichts anmerken außer dem kleinsten Anziehen eines Muskels am Kiefer. »Nein. Außer, Sie haben schon einmal in diese Mündung gesehen und überlebt, um davon zu berichten«, sagte er und strich über den Lauf des Recolts.

»Das wüsste ich«, gab Zhenferro zurück, und diesmal schimmerte ein belustigtes Lächeln durch, kurz und ehrlich. »Eine merkwürdige Nacht, in der Tat … erst diese einzigartige Runde Triptyque, jetzt das …« Er schüttelte den Kopf und fing sich wieder. »Wie dem auch sei … es war mir eine Freude. Lassen Sie uns beide dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten.«

Mit diesen Worten verstauten seine Begleiter mit kurzen, methodischen Bewegungen den Inhalt des Safes in einer Tasche – Lucía sah kurz einige Dokumente mit dem städtischen Siegel von Altareal, dem Regierungssitz Escorials, hervorblitzen, bevor sie ebenso schnell verschwanden. Dann beugte Zhenferro kurz den Kopf. Auch Lucía nickte unmerklich, bevor sie noch einmal das Wort an ihn richtete.

»Gehen Sie, bevor ich es mir anders überlege. Und ein Ratschlag: Kommen Sie uns nicht mehr in die Quere.« Auch Basilio verlagerte fast schon beiläufig sein Gewicht, sodass der Recolt jetzt an seiner Hüfte ruhte. Zhenferro lächelte nur.

»Wie nett von Ihnen. Dann erlauben Sie auch mir, Ihnen einen ehrlichen Ratschlag zu geben.« Wie aus dem Nichts erschien ein kleiner goldener Escodinar zwischen seinen Fingern, der leise im Licht der Lounge glänzte. »Lassen Sie sich nicht von Gier leiten … und wissen Sie, dass sich gierige Menschen besonders leicht blenden lassen, wenn Gold im Spiel ist …« Ebenso schnell verschwand die Münze wieder. Basilio schnaubte nur.

Zhenferro setzte zur Bewegung an, stoppte jedoch noch einmal, als sei ihm etwas Wichtiges eingefallen. Der Blick zurück auf Basilio war diesmal direkter. »Sollten wir uns noch einmal begegnen – und Sie wissen, wie sehr Escorial seine Wiederholungen liebt –, werde ich mich wieder erinnert haben. Ganz gewiss.«

Basilio erwiderte nichts; er ließ nur die Hand, die am Sicherungsstift ruhte, einen Hauch lockerer werden, als zeige er, dass er verstanden hatte.

Zhenferro pfiff erneut, ein kurzes »tsst«, und die beiden Begleiter traten gleichzeitig einen halben Schritt vor, in Richtung der Tür, durch die die beiden Recovains gekommen waren. Drei Körper, eine Linie. Er hob die Hand wie beliäufig zum Abschied.

Dann waren sie fort. Keine Spuren, außer einem feinen Mix aus Leder und Parfüm. Dann Stille.

Lucía blieb wie angewurzelt, die Waffe an den Oberschenkel gepresst, und erst, als ihre Finger schmerzten, löste sie den Griff und atmete aus. »Komischer Vogel«, sagte sie, mehr zu sich als zu Basilio.

Er ließ die Luft flach aus den Nasenflügeln, was bei ihm Lachen hieß. »Ich hätte ihn erschossen. Aber deine Methode hat auch funktioniert.«

»Ich hoffe, das hat sie«, murmelte Lucía, und in ihrem Kopf standen die Wörter nebeneinander wie drei grinsende Götzen.

Vertrauen. Gehen lassen. Später bereuen.

Schließlich senkte sie die Schultern, der winzigste Beweis ihrer Unsicherheit. »Gehen wir. Für heute habe ich genug von der Trinitriad.«

Allerdings konnte Lucía nicht ahnen, dass Zhenferro sein Versprechen gegenüber Basilio alsbald einlösen würde – und es alte Rätsel beantworten und neue Fragen auftun würde.


Lucía merkte zuerst ihr eigenes Herz, das schmerzhaft in ihrer Brust schlug und ihre Entscheidung ungläubig zur Kenntnis nahm. Der Recolt in ihrer Hand fühlte sich plötzlich zu schwer und zu kalt an, so, als wollte selbst ihre Waffe ihr mitteilen: Lass sein, das führt zu nichts.

Gegenüber von ihr lagen die Finger von Zhenferro locker um seine eigene Waffe, der Finger jederzeit bereit, den Abzug zu drücken. Seine beiden Begleiter richteten ihre Waffen auf Basilio und ließen ihn keine Sekunde aus den Augen. Es war eine festgefahrene Situation, in der niemand den ersten Schuss setzen wollte, wissend um die Gefahr einer einzigen verirrten Kugel.

Ein escorialisches Standoff, wie es im Buche stand.

Und dennoch: In den Augen von Zhenferro lag nichts von Verschlagenheit oder Verrat. Vielmehr lagen echtes Bedauern über ihre Situation und die Hoffnung auf einen friedlichen Ausgang darin.

Oder aber er war schlichtweg meisterhaft darin, seine Augen nichtssagende Worte sprechen zu lassen.

»Weder Saints noch Sinners müssen heute Nacht sterben, meine Liebe«, sagte er leise, mit jener Höflichkeit, die ihn ausmachte. »Unsere Wege mögen sich gekreuzt haben … es wäre allerdings schade, wenn sie hier enden müssten.«

Lucías Finger lagen so fest um den Griff, dass sie schmerzten. Trauen. Nicht trauen. Wenn er lügt, sind wir tot. Wenn er nicht lügt und ich schieße, sind wir vermutlich auch tot. Sie spürte Basilio neben sich und wusste, dass er diese Zweifel nicht gehabt hätte. Hätte er hier das Kommando, dann wären schon längst die Kugeln geflogen.

Es hatte allerdings einen Grund, weshalb sie es war, die solche ausweglosen Situationen schon immer gelöst hatte.

Sie atmete einmal, als müsse sie einen Knoten lösen, und ließ die Waffe um eine Fingerbreite sinken. Es knirschte in ihrer Schulter. Noch eine Fingerbreite. Dann war die Mündung auf ihrem Oberschenkel, und es fühlte sich an, als hätte sie gerade ein Blutbad verhindert – oder nur ihr eigenes Leben riskiert.

»Palmis.« Die offene Handfläche: das Zeichen der Recovains, dass der Weg der Gewalt an dieser Stelle sein Ende finden musste.

Basilio neben ihr verkrampfte kurz, und für einen Moment dachte sie, dass er dennoch schießen würde. Doch in dieser Hinsicht waren die Recovains eisern in ihrer Loyalität, in ihrer Befehlskette. Er stellte seine Waffe ohne Geräusch auf den Sicherheitsriegel; das Klack blieb in der Kehle stecken. Dann schaute er zu Zhenferro. »Sie sind Trinitriad«, sagte er. Es war keine Frage.

Zhenferro nickte nicht einmal; nur ein winziges, zufriedenes Ausschwingen um den Mund, als sei er gerade stolz auf zwei Enkel, die mit ihrem kindischen Unsinn aufgehört hatten. »Danke.« Es klang aufrichtig. »Ich bevorzuge Gespräche, die nicht durch den Lauf von Mündungen geführt werden.« Er drehte minimal den Kopf – wie ein Vogel, der sich nach der Sonne umdreht – und stieß ein kleines, helles Pfeifen aus. Die Drachen an seinem Hals schienen sich genüsslich zu strecken.

Sofort senkten seine Begleiter die Waffen und blickten wieder höflich nach vorn. Auch er verstaute seine Waffe, eine wuchtige Pistole mit Schalldämpfer, an seinem Gürtel und lächelte dann.

Die Gefahr war gebannt.

»Leider läuft Ihnen und uns die Zeit davon, sodass unser Gespräch sich auf einige wenige, doch nicht minder wichtige Worte beschränken muss. Ich habe heute Abend Geschäfte im Sanctum Sins. Ehrliche Geschäfte, soweit das Wort in dieser Stadt noch Sinn trägt. Doch auch Sie haben eine Mission, wie mir scheint. Ich wünsche Ihnen Glück.« Er nickte huldvoll den beiden Recovains zu.

Lucía hielt den Atem doch noch an. Zu freundlich. Zu glatt. Sag mir, was du willst. Laut fragte sie: »Weshalb sollten wir Ihnen glauben? Ist Ihr netter Glückwunsch am Ende nichts mehr als eine Kugel in meinem Rücken?«

Zhenferros Blick verengte sich für einen Moment. Es lag leichte Verärgerung darin. »Zweifeln Sie nicht mein Wort an, meine Liebe. Ich glaube noch an Regeln und Konsequenzen.« Sein Blick wanderte über Lucía hinweg und blieb an Basilio hängen – nicht neugierig, nicht feindselig, eher wie jemand, der einen alten Bekannten sieht und nicht mehr weiß, woher.

»Wie merkwürdig«, murmelte er. »Sagen Sie, mein Freund …« Er legte den Kopf leicht zur Seite, wie ein Spatz. Lucía konnte nicht anders, als genau dieses Tier in ihm zu sehen. »… haben wir uns schon einmal gesehen? Ich meine … hmm …« Er ließ die Worte fallen wie zu schwere Münzen.

Basilio ließ sich nichts anmerken außer dem kleinsten Anziehen eines Muskels am Kiefer. »Nein. Außer, Sie haben schon einmal in diese Mündung gesehen und überlebt, um davon zu berichten«, sagte er und strich über den Lauf des Recolts.

»Das wüsste ich«, gab Zhenferro zurück, und diesmal schimmerte ein belustigtes Lächeln durch, kurz und ehrlich. »Eine merkwürdige Nacht, in der Tat … erst diese einzigartige Runde Triptyque, jetzt das …« Er schüttelte den Kopf und fing sich wieder. »Wie dem auch sei … es war mir eine Freude. Lassen Sie uns beide dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten.«

Mit diesen Worten verstauten seine Begleiter mit kurzen, methodischen Bewegungen den Inhalt des Safes in einer Tasche – Lucía sah kurz einige Dokumente mit dem städtischen Siegel von Altareal, dem Regierungssitz Escorials, hervorblitzen, bevor sie ebenso schnell verschwanden. Dann beugte Zhenferro kurz den Kopf. Auch Lucía nickte unmerklich, bevor sie noch einmal das Wort an ihn richtete.

»Gehen Sie, bevor ich es mir anders überlege. Und ein Ratschlag: Kommen Sie uns nicht mehr in die Quere.« Auch Basilio verlagerte fast schon beiläufig sein Gewicht, sodass der Recolt jetzt an seiner Hüfte ruhte. Zhenferro lächelte nur.

»Wie nett von Ihnen. Dann erlauben Sie auch mir, Ihnen einen ehrlichen Ratschlag zu geben.« Wie aus dem Nichts erschien ein kleiner goldener Escodinar zwischen seinen Fingern, der leise im Licht der Lounge glänzte. »Lassen Sie sich nicht von Gier leiten … und wissen Sie, dass sich gierige Menschen besonders leicht blenden lassen, wenn Gold im Spiel ist …« Ebenso schnell verschwand die Münze wieder. Basilio schnaubte nur.

Zhenferro setzte zur Bewegung an, stoppte jedoch noch einmal, als sei ihm etwas Wichtiges eingefallen. Der Blick zurück auf Basilio war diesmal direkter. »Sollten wir uns noch einmal begegnen – und Sie wissen, wie sehr Escorial seine Wiederholungen liebt –, werde ich mich wieder erinnert haben. Ganz gewiss.«

Basilio erwiderte nichts; er ließ nur die Hand, die am Sicherungsstift ruhte, einen Hauch lockerer werden, als zeige er, dass er verstanden hatte.

Zhenferro pfiff erneut, ein kurzes »tsst«, und die beiden Begleiter traten gleichzeitig einen halben Schritt vor, in Richtung der Tür, durch die die beiden Recovains gekommen waren. Drei Körper, eine Linie. Er hob die Hand wie beliäufig zum Abschied.

Dann waren sie fort. Keine Spuren, außer einem feinen Mix aus Leder und Parfüm. Dann Stille.

Lucía blieb wie angewurzelt, die Waffe an den Oberschenkel gepresst, und erst, als ihre Finger schmerzten, löste sie den Griff und atmete aus. »Komischer Vogel«, sagte sie, mehr zu sich als zu Basilio.

Er ließ die Luft flach aus den Nasenflügeln, was bei ihm Lachen hieß. »Ich hätte ihn erschossen. Aber deine Methode hat auch funktioniert.«

»Ich hoffe, das hat sie«, murmelte Lucía, und in ihrem Kopf standen die Wörter nebeneinander wie drei grinsende Götzen.

Vertrauen. Gehen lassen. Später bereuen.

Schließlich senkte sie die Schultern, der winzigste Beweis ihrer Unsicherheit. »Gehen wir. Für heute habe ich genug von der Trinitriad.«

Allerdings konnte Lucía nicht ahnen, dass Zhenferro sein Versprechen gegenüber Basilio alsbald einlösen würde – und es alte Rätsel beantworten und neue Fragen auftun würde.


Lucía merkte zuerst ihr eigenes Herz, das schmerzhaft in ihrer Brust schlug und ihre Entscheidung ungläubig zur Kenntnis nahm. Der Recolt in ihrer Hand fühlte sich plötzlich zu schwer und zu kalt an, so, als wollte selbst ihre Waffe ihr mitteilen: Lass sein, das führt zu nichts.

Gegenüber von ihr lagen die Finger von Zhenferro locker um seine eigene Waffe, der Finger jederzeit bereit, den Abzug zu drücken. Seine beiden Begleiter richteten ihre Waffen auf Basilio und ließen ihn keine Sekunde aus den Augen. Es war eine festgefahrene Situation, in der niemand den ersten Schuss setzen wollte, wissend um die Gefahr einer einzigen verirrten Kugel.

Ein escorialisches Standoff, wie es im Buche stand.

Und dennoch: In den Augen von Zhenferro lag nichts von Verschlagenheit oder Verrat. Vielmehr lagen echtes Bedauern über ihre Situation und die Hoffnung auf einen friedlichen Ausgang darin.

Oder aber er war schlichtweg meisterhaft darin, seine Augen nichtssagende Worte sprechen zu lassen.

»Weder Saints noch Sinners müssen heute Nacht sterben, meine Liebe«, sagte er leise, mit jener Höflichkeit, die ihn ausmachte. »Unsere Wege mögen sich gekreuzt haben … es wäre allerdings schade, wenn sie hier enden müssten.«

Lucías Finger lagen so fest um den Griff, dass sie schmerzten. Trauen. Nicht trauen. Wenn er lügt, sind wir tot. Wenn er nicht lügt und ich schieße, sind wir vermutlich auch tot. Sie spürte Basilio neben sich und wusste, dass er diese Zweifel nicht gehabt hätte. Hätte er hier das Kommando, dann wären schon längst die Kugeln geflogen.

Es hatte allerdings einen Grund, weshalb sie es war, die solche ausweglosen Situationen schon immer gelöst hatte.

Sie atmete einmal, als müsse sie einen Knoten lösen, und ließ die Waffe um eine Fingerbreite sinken. Es knirschte in ihrer Schulter. Noch eine Fingerbreite. Dann war die Mündung auf ihrem Oberschenkel, und es fühlte sich an, als hätte sie gerade ein Blutbad verhindert – oder nur ihr eigenes Leben riskiert.

»Palmis.« Die offene Handfläche: das Zeichen der Recovains, dass der Weg der Gewalt an dieser Stelle sein Ende finden musste.

Basilio neben ihr verkrampfte kurz, und für einen Moment dachte sie, dass er dennoch schießen würde. Doch in dieser Hinsicht waren die Recovains eisern in ihrer Loyalität, in ihrer Befehlskette. Er stellte seine Waffe ohne Geräusch auf den Sicherheitsriegel; das Klack blieb in der Kehle stecken. Dann schaute er zu Zhenferro. »Sie sind Trinitriad«, sagte er. Es war keine Frage.

Zhenferro nickte nicht einmal; nur ein winziges, zufriedenes Ausschwingen um den Mund, als sei er gerade stolz auf zwei Enkel, die mit ihrem kindischen Unsinn aufgehört hatten. »Danke.« Es klang aufrichtig. »Ich bevorzuge Gespräche, die nicht durch den Lauf von Mündungen geführt werden.« Er drehte minimal den Kopf – wie ein Vogel, der sich nach der Sonne umdreht – und stieß ein kleines, helles Pfeifen aus. Die Drachen an seinem Hals schienen sich genüsslich zu strecken.

Sofort senkten seine Begleiter die Waffen und blickten wieder höflich nach vorn. Auch er verstaute seine Waffe, eine wuchtige Pistole mit Schalldämpfer, an seinem Gürtel und lächelte dann.

Die Gefahr war gebannt.

»Leider läuft Ihnen und uns die Zeit davon, sodass unser Gespräch sich auf einige wenige, doch nicht minder wichtige Worte beschränken muss. Ich habe heute Abend Geschäfte im Sanctum Sins. Ehrliche Geschäfte, soweit das Wort in dieser Stadt noch Sinn trägt. Doch auch Sie haben eine Mission, wie mir scheint. Ich wünsche Ihnen Glück.« Er nickte huldvoll den beiden Recovains zu.

Lucía hielt den Atem doch noch an. Zu freundlich. Zu glatt. Sag mir, was du willst. Laut fragte sie: »Weshalb sollten wir Ihnen glauben? Ist Ihr netter Glückwunsch am Ende nichts mehr als eine Kugel in meinem Rücken?«

Zhenferros Blick verengte sich für einen Moment. Es lag leichte Verärgerung darin. »Zweifeln Sie nicht mein Wort an, meine Liebe. Ich glaube noch an Regeln und Konsequenzen.« Sein Blick wanderte über Lucía hinweg und blieb an Basilio hängen – nicht neugierig, nicht feindselig, eher wie jemand, der einen alten Bekannten sieht und nicht mehr weiß, woher.

»Wie merkwürdig«, murmelte er. »Sagen Sie, mein Freund …« Er legte den Kopf leicht zur Seite, wie ein Spatz. Lucía konnte nicht anders, als genau dieses Tier in ihm zu sehen. »… haben wir uns schon einmal gesehen? Ich meine … hmm …« Er ließ die Worte fallen wie zu schwere Münzen.

Basilio ließ sich nichts anmerken außer dem kleinsten Anziehen eines Muskels am Kiefer. »Nein. Außer, Sie haben schon einmal in diese Mündung gesehen und überlebt, um davon zu berichten«, sagte er und strich über den Lauf des Recolts.

»Das wüsste ich«, gab Zhenferro zurück, und diesmal schimmerte ein belustigtes Lächeln durch, kurz und ehrlich. »Eine merkwürdige Nacht, in der Tat … erst diese einzigartige Runde Triptyque, jetzt das …« Er schüttelte den Kopf und fing sich wieder. »Wie dem auch sei … es war mir eine Freude. Lassen Sie uns beide dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten.«

Mit diesen Worten verstauten seine Begleiter mit kurzen, methodischen Bewegungen den Inhalt des Safes in einer Tasche – Lucía sah kurz einige Dokumente mit dem städtischen Siegel von Altareal, dem Regierungssitz Escorials, hervorblitzen, bevor sie ebenso schnell verschwanden. Dann beugte Zhenferro kurz den Kopf. Auch Lucía nickte unmerklich, bevor sie noch einmal das Wort an ihn richtete.

»Gehen Sie, bevor ich es mir anders überlege. Und ein Ratschlag: Kommen Sie uns nicht mehr in die Quere.« Auch Basilio verlagerte fast schon beiläufig sein Gewicht, sodass der Recolt jetzt an seiner Hüfte ruhte. Zhenferro lächelte nur.

»Wie nett von Ihnen. Dann erlauben Sie auch mir, Ihnen einen ehrlichen Ratschlag zu geben.« Wie aus dem Nichts erschien ein kleiner goldener Escodinar zwischen seinen Fingern, der leise im Licht der Lounge glänzte. »Lassen Sie sich nicht von Gier leiten … und wissen Sie, dass sich gierige Menschen besonders leicht blenden lassen, wenn Gold im Spiel ist …« Ebenso schnell verschwand die Münze wieder. Basilio schnaubte nur.

Zhenferro setzte zur Bewegung an, stoppte jedoch noch einmal, als sei ihm etwas Wichtiges eingefallen. Der Blick zurück auf Basilio war diesmal direkter. »Sollten wir uns noch einmal begegnen – und Sie wissen, wie sehr Escorial seine Wiederholungen liebt –, werde ich mich wieder erinnert haben. Ganz gewiss.«

Basilio erwiderte nichts; er ließ nur die Hand, die am Sicherungsstift ruhte, einen Hauch lockerer werden, als zeige er, dass er verstanden hatte.

Zhenferro pfiff erneut, ein kurzes »tsst«, und die beiden Begleiter traten gleichzeitig einen halben Schritt vor, in Richtung der Tür, durch die die beiden Recovains gekommen waren. Drei Körper, eine Linie. Er hob die Hand wie beliäufig zum Abschied.

Dann waren sie fort. Keine Spuren, außer einem feinen Mix aus Leder und Parfüm. Dann Stille.

Lucía blieb wie angewurzelt, die Waffe an den Oberschenkel gepresst, und erst, als ihre Finger schmerzten, löste sie den Griff und atmete aus. »Komischer Vogel«, sagte sie, mehr zu sich als zu Basilio.

Er ließ die Luft flach aus den Nasenflügeln, was bei ihm Lachen hieß. »Ich hätte ihn erschossen. Aber deine Methode hat auch funktioniert.«

»Ich hoffe, das hat sie«, murmelte Lucía, und in ihrem Kopf standen die Wörter nebeneinander wie drei grinsende Götzen.

Vertrauen. Gehen lassen. Später bereuen.

Schließlich senkte sie die Schultern, der winzigste Beweis ihrer Unsicherheit. »Gehen wir. Für heute habe ich genug von der Trinitriad.«

Allerdings konnte Lucía nicht ahnen, dass Zhenferro sein Versprechen gegenüber Basilio alsbald einlösen würde – und es alte Rätsel beantworten und neue Fragen auftun würde.

Lucía merkte zuerst ihr eigenes Herz, das schmerzhaft in ihrer Brust schlug und ihre Entscheidung ungläubig zur Kenntnis nahm. Der Recolt in ihrer Hand fühlte sich plötzlich zu schwer und zu kalt an, so, als wollte selbst ihre Waffe ihr mitteilen: Lass sein, das führt zu nichts.

Gegenüber von ihr lagen die Finger von Zhenferro locker um seine eigene Waffe, der Finger jederzeit bereit, den Abzug zu drücken. Seine beiden Begleiter richteten ihre Waffen auf Basilio und ließen ihn keine Sekunde aus den Augen. Es war eine festgefahrene Situation, in der niemand den ersten Schuss setzen wollte, wissend um die Gefahr einer einzigen verirrten Kugel.

Ein escorialisches Standoff, wie es im Buche stand.

Und dennoch: In den Augen von Zhenferro lag nichts von Verschlagenheit oder Verrat. Vielmehr lagen echtes Bedauern über ihre Situation und die Hoffnung auf einen friedlichen Ausgang darin.

Oder aber er war schlichtweg meisterhaft darin, seine Augen nichtssagende Worte sprechen zu lassen.

»Weder Saints noch Sinners müssen heute Nacht sterben, meine Liebe«, sagte er leise, mit jener Höflichkeit, die ihn ausmachte. »Unsere Wege mögen sich gekreuzt haben … es wäre allerdings schade, wenn sie hier enden müssten.«

Lucías Finger lagen so fest um den Griff, dass sie schmerzten. Trauen. Nicht trauen. Wenn er lügt, sind wir tot. Wenn er nicht lügt und ich schieße, sind wir vermutlich auch tot. Sie spürte Basilio neben sich und wusste, dass er diese Zweifel nicht gehabt hätte. Hätte er hier das Kommando, dann wären schon längst die Kugeln geflogen.

Es hatte allerdings einen Grund, weshalb sie es war, die solche ausweglosen Situationen schon immer gelöst hatte.

Sie atmete einmal, als müsse sie einen Knoten lösen, und ließ die Waffe um eine Fingerbreite sinken. Es knirschte in ihrer Schulter. Noch eine Fingerbreite. Dann war die Mündung auf ihrem Oberschenkel, und es fühlte sich an, als hätte sie gerade ein Blutbad verhindert – oder nur ihr eigenes Leben riskiert.

»Palmis.« Die offene Handfläche: das Zeichen der Recovains, dass der Weg der Gewalt an dieser Stelle sein Ende finden musste.

Basilio neben ihr verkrampfte kurz, und für einen Moment dachte sie, dass er dennoch schießen würde. Doch in dieser Hinsicht waren die Recovains eisern in ihrer Loyalität, in ihrer Befehlskette. Er stellte seine Waffe ohne Geräusch auf den Sicherheitsriegel; das Klack blieb in der Kehle stecken. Dann schaute er zu Zhenferro. »Sie sind Trinitriad«, sagte er. Es war keine Frage.

Zhenferro nickte nicht einmal; nur ein winziges, zufriedenes Ausschwingen um den Mund, als sei er gerade stolz auf zwei Enkel, die mit ihrem kindischen Unsinn aufgehört hatten. »Danke.« Es klang aufrichtig. »Ich bevorzuge Gespräche, die nicht durch den Lauf von Mündungen geführt werden.« Er drehte minimal den Kopf – wie ein Vogel, der sich nach der Sonne umdreht – und stieß ein kleines, helles Pfeifen aus. Die Drachen an seinem Hals schienen sich genüsslich zu strecken.

Sofort senkten seine Begleiter die Waffen und blickten wieder höflich nach vorn. Auch er verstaute seine Waffe, eine wuchtige Pistole mit Schalldämpfer, an seinem Gürtel und lächelte dann.

Die Gefahr war gebannt.

»Leider läuft Ihnen und uns die Zeit davon, sodass unser Gespräch sich auf einige wenige, doch nicht minder wichtige Worte beschränken muss. Ich habe heute Abend Geschäfte im Sanctum Sins. Ehrliche Geschäfte, soweit das Wort in dieser Stadt noch Sinn trägt. Doch auch Sie haben eine Mission, wie mir scheint. Ich wünsche Ihnen Glück.« Er nickte huldvoll den beiden Recovains zu.

Lucía hielt den Atem doch noch an. Zu freundlich. Zu glatt. Sag mir, was du willst. Laut fragte sie: »Weshalb sollten wir Ihnen glauben? Ist Ihr netter Glückwunsch am Ende nichts mehr als eine Kugel in meinem Rücken?«

Zhenferros Blick verengte sich für einen Moment. Es lag leichte Verärgerung darin. »Zweifeln Sie nicht mein Wort an, meine Liebe. Ich glaube noch an Regeln und Konsequenzen.« Sein Blick wanderte über Lucía hinweg und blieb an Basilio hängen – nicht neugierig, nicht feindselig, eher wie jemand, der einen alten Bekannten sieht und nicht mehr weiß, woher.

»Wie merkwürdig«, murmelte er. »Sagen Sie, mein Freund …« Er legte den Kopf leicht zur Seite, wie ein Spatz. Lucía konnte nicht anders, als genau dieses Tier in ihm zu sehen. »… haben wir uns schon einmal gesehen? Ich meine … hmm …« Er ließ die Worte fallen wie zu schwere Münzen.

Basilio ließ sich nichts anmerken außer dem kleinsten Anziehen eines Muskels am Kiefer. »Nein. Außer, Sie haben schon einmal in diese Mündung gesehen und überlebt, um davon zu berichten«, sagte er und strich über den Lauf des Recolts.

»Das wüsste ich«, gab Zhenferro zurück, und diesmal schimmerte ein belustigtes Lächeln durch, kurz und ehrlich. »Eine merkwürdige Nacht, in der Tat … erst diese einzigartige Runde Triptyque, jetzt das …« Er schüttelte den Kopf und fing sich wieder. »Wie dem auch sei … es war mir eine Freude. Lassen Sie uns beide dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten.«

Mit diesen Worten verstauten seine Begleiter mit kurzen, methodischen Bewegungen den Inhalt des Safes in einer Tasche – Lucía sah kurz einige Dokumente mit dem städtischen Siegel von Altareal, dem Regierungssitz Escorials, hervorblitzen, bevor sie ebenso schnell verschwanden. Dann beugte Zhenferro kurz den Kopf.

Auch Lucía nickte unmerklich, bevor sie noch einmal das Wort an ihn richtete.

»Gehen Sie, bevor ich es mir anders überlege. Und ein Ratschlag: Kommen Sie uns nicht mehr in die Quere.« Auch Basilio verlagerte fast schon beiläufig sein Gewicht, sodass der Recolt jetzt an seiner Hüfte ruhte. Zhenferro lächelte nur.

»Wie nett von Ihnen. Dann erlauben Sie auch mir, Ihnen einen ehrlichen Ratschlag zu geben.« Wie aus dem Nichts erschien ein kleiner goldener Escodinar zwischen seinen Fingern, der leise im Licht der Lounge glänzte. »Lassen Sie sich nicht von Gier leiten … und wissen Sie, dass sich gierige Menschen besonders leicht blenden lassen, wenn Gold im Spiel ist …« Ebenso schnell verschwand die Münze wieder. Basilio schnaubte nur.

Zhenferro setzte zur Bewegung an, stoppte jedoch noch einmal, als sei ihm etwas Wichtiges eingefallen. Der Blick zurück auf Basilio war diesmal direkter. »Sollten wir uns noch einmal begegnen – und Sie wissen, wie sehr Escorial Ihre Wiederholungen liebt –, werde ich mich wieder erinnert haben. Ganz gewiss.«

Basilio erwiderte nichts; er ließ nur die Hand, die am Sicherungsstift ruhte, einen Hauch lockerer werden, als zeige er, dass er verstanden hatte.

Zhenferro pfiff erneut, ein kurzes »tsst«, und die beiden Begleiter traten gleichzeitig einen halben Schritt vor, in Richtung der Tür, durch die die beiden Recovains gekommen waren. Drei Körper, eine Linie. Er hob die Hand wie beliäufig zum Abschied.

Dann waren sie fort. Keine Spuren, außer einem feinen Mix aus Leder und Parfüm. Dann Stille.

Lucía blieb wie angewurzelt, die Waffe an den Oberschenkel gepresst, und erst, als ihre Finger schmerzten, löste sie den Griff und atmete aus. »Komischer Vogel«, sagte sie, mehr zu sich als zu Basilio.

Er ließ die Luft flach aus den Nasenflügeln, was bei ihm Lachen hieß. »Ich hätte ihn erschossen. Aber deine Methode hat auch funktioniert.«

»Ich hoffe, das hat sie«, murmelte Lucía, und in ihrem Kopf standen die Wörter nebeneinander wie drei grinsende Götzen.

Vertrauen. Gehen lassen. Später bereuen.

Schließlich senkte sie die Schultern, der winzigste Beweis ihrer Unsicherheit. »Gehen wir. Für heute habe ich genug von der Trinitriad.«

Allerdings konnte Lucía nicht ahnen, dass Zhenferro sein Versprechen gegenüber Basilio alsbald einlösen würde – und es alte Rätsel beantworten und neue Fragen auftun würde.

Lucía merkte zuerst ihr eigenes Herz, das schmerzhaft in ihrer Brust schlug und ihre Entscheidung ungläubig zur Kenntnis nahm. Der Recolt in ihrer Hand fühlte sich plötzlich zu schwer und zu kalt an, so, als wollte selbst ihre Waffe ihr mitteilen: Lass sein, das führt zu nichts.

Gegenüber von ihr lagen die Finger von Zhenferro locker um seine eigene Waffe, der Finger jederzeit bereit, den Abzug zu drücken. Seine beiden Begleiter richteten ihre Waffen auf Basilio und ließen ihn keine Sekunde aus den Augen. Es war eine festgefahrene Situation, in der niemand den ersten Schuss setzen wollte, wissend um die Gefahr einer einzigen verirrten Kugel.

Ein escorialisches Standoff, wie es im Buche stand.

Und dennoch: In den Augen von Zhenferro lag nichts von Verschlagenheit oder Verrat. Vielmehr lagen echtes Bedauern über ihre Situation und die Hoffnung auf einen friedlichen Ausgang darin.

Oder aber er war schlichtweg meisterhaft darin, seine Augen nichtssagende Worte sprechen zu lassen.

»Weder Saints noch Sinners müssen heute Nacht sterben, meine Liebe«, sagte er leise, mit jener Höflichkeit, die ihn ausmachte. »Unsere Wege mögen sich gekreuzt haben … es wäre allerdings schade, wenn sie hier enden müssten.«

Lucías Finger lagen so fest um den Griff, dass sie schmerzten. Trauen. Nicht trauen. Wenn er lügt, sind wir tot. Wenn er nicht lügt und ich schieße, sind wir vermutlich auch tot. Sie spürte Basilio neben sich und wusste, dass er diese Zweifel nicht gehabt hätte. Hätte er hier das Kommando, dann wären schon längst die Kugeln geflogen.

Es hatte allerdings einen Grund, weshalb sie es war, die solche ausweglosen Situationen schon immer gelöst hatte.

Sie atmete einmal, als müsse sie einen Knoten lösen, und ließ die Waffe um eine Fingerbreite sinken. Es knirschte in ihrer Schulter. Noch eine Fingerbreite. Dann war die Mündung auf ihrem Oberschenkel, und es fühlte sich an, als hätte sie gerade ein Blutbad verhindert – oder nur ihr eigenes Leben riskiert.

»Palmis.« Die offene Handfläche: das Zeichen der Recovains, dass der Weg der Gewalt an dieser Stelle sein Ende finden musste.

Basilio neben ihr verkrampfte kurz, und für einen Moment dachte sie, dass er dennoch schießen würde. Doch in dieser Hinsicht waren die Recovains eisern in ihrer Loyalität, in ihrer Befehlskette. Er stellte seine Waffe ohne Geräusch auf den Sicherheitsriegel; das Klack blieb in der Kehle stecken. Dann schaute er zu Zhenferro. »Sie sind Trinitriad«, sagte er. Es war keine Frage.

Zhenferro nickte nicht einmal; nur ein winziges, zufriedenes Ausschwingen um den Mund, als sei er gerade stolz auf zwei Enkel, die mit ihrem kindischen Unsinn aufgehört hatten. »Danke.« Es klang aufrichtig. »Ich bevorzuge Gespräche, die nicht durch den Lauf von Mündungen geführt werden.« Er drehte minimal den Kopf – wie ein Vogel, der sich nach der Sonne umdreht – und stieß ein kleines, helles Pfeifen aus. Die Drachen an seinem Hals schienen sich genüsslich zu strecken.

Sofort senkten seine Begleiter die Waffen und blickten wieder höflich nach vorn. Auch er verstaute seine Waffe, eine wuchtige Pistole mit Schalldämpfer, an seinem Gürtel und lächelte dann.

Die Gefahr war gebannt.

»Leider läuft Ihnen und uns die Zeit davon, sodass unser Gespräch sich auf einige wenige, doch nicht minder wichtige Worte beschränken muss. Ich habe heute Abend Geschäfte im Sanctum Sins. Ehrliche Geschäfte, soweit das Wort in dieser Stadt noch Sinn trägt. Doch auch Sie haben eine Mission, wie mir scheint. Ich wünsche Ihnen Glück.« Er nickte huldvoll den beiden Recovains zu.

Lucía hielt den Atem doch noch an. Zu freundlich. Zu glatt. Sag mir, was du willst. Laut fragte sie: »Weshalb sollten wir Ihnen glauben? Ist Ihr netter Glückwunsch am Ende nichts mehr als eine Kugel in meinem Rücken?«

Zhenferros Blick verengte sich für einen Moment. Es lag leichte Verärgerung darin. »Zweifeln Sie nicht mein Wort an, meine Liebe. Ich glaube noch an Regeln und Konsequenzen.« Sein Blick wanderte über Lucía hinweg und blieb an Basilio hängen – nicht neugierig, nicht feindselig, eher wie jemand, der einen alten Bekannten sieht und nicht mehr weiß, woher.

»Wie merkwürdig«, murmelte er. »Sagen Sie, mein Freund …« Er legte den Kopf leicht zur Seite, wie ein Spatz. Lucía konnte nicht anders, als genau dieses Tier in ihm zu sehen. »… haben wir uns schon einmal gesehen? Ich meine … hmm …« Er ließ die Worte fallen wie zu schwere Münzen.

Basilio ließ sich nichts anmerken außer dem kleinsten Anziehen eines Muskels am Kiefer. »Nein. Außer, Sie haben schon einmal in diese Mündung gesehen und überlebt, um davon zu berichten«, sagte er und strich über den Lauf des Recolts.

»Das wüsste ich«, gab Zhenferro zurück, und diesmal schimmerte ein belustigtes Lächeln durch, kurz und ehrlich. »Eine merkwürdige Nacht, in der Tat … erst diese einzigartige Runde Triptyque, jetzt das …« Er schüttelte den Kopf und fing sich wieder. »Wie dem auch sei … es war mir eine Freude. Lassen Sie uns beide dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten.«

Mit diesen Worten verstauten seine Begleiter mit kurzen, methodischen Bewegungen den Inhalt des Safes in einer Tasche – Lucía sah kurz einige Dokumente mit dem städtischen Siegel von Altareal, dem Regierungssitz Escorials, hervorblitzen, bevor sie ebenso schnell verschwanden. Dann beugte Zhenferro kurz den Kopf.

Auch Lucía nickte unmerklich, bevor sie noch einmal das Wort an ihn richtete.

»Gehen Sie, bevor ich es mir anders überlege. Und ein Ratschlag: Kommen Sie uns nicht mehr in die Quere.« Auch Basilio verlagerte fast schon beiläufig sein Gewicht, sodass der Recolt jetzt an seiner Hüfte ruhte. Zhenferro lächelte nur.

»Wie nett von Ihnen. Dann erlauben Sie auch mir, Ihnen einen ehrlichen Ratschlag zu geben.« Wie aus dem Nichts erschien ein kleiner goldener Escodinar zwischen seinen Fingern, der leise im Licht der Lounge glänzte. »Lassen Sie sich nicht von Gier leiten … und wissen Sie, dass sich gierige Menschen besonders leicht blenden lassen, wenn Gold im Spiel ist …« Ebenso schnell verschwand die Münze wieder. Basilio schnaubte nur.

Zhenferro setzte zur Bewegung an, stoppte jedoch noch einmal, als sei ihm etwas Wichtiges eingefallen. Der Blick zurück auf Basilio war diesmal direkter. »Sollten wir uns noch einmal begegnen – und Sie wissen, wie sehr Escorial Ihre Wiederholungen liebt –, werde ich mich wieder erinnert haben. Ganz gewiss.«

Basilio erwiderte nichts; er ließ nur die Hand, die am Sicherungsstift ruhte, einen Hauch lockerer werden, als zeige er, dass er verstanden hatte.

Zhenferro pfiff erneut, ein kurzes »tsst«, und die beiden Begleiter traten gleichzeitig einen halben Schritt vor, in Richtung der Tür, durch die die beiden Recovains gekommen waren. Drei Körper, eine Linie. Er hob die Hand wie beliäufig zum Abschied.

Dann waren sie fort. Keine Spuren, außer einem feinen Mix aus Leder und Parfüm. Dann Stille.

Lucía blieb wie angewurzelt, die Waffe an den Oberschenkel gepresst, und erst, als ihre Finger schmerzten, löste sie den Griff und atmete aus. »Komischer Vogel«, sagte sie, mehr zu sich als zu Basilio.

Er ließ die Luft flach aus den Nasenflügeln, was bei ihm Lachen hieß. »Ich hätte ihn erschossen. Aber deine Methode hat auch funktioniert.«

»Ich hoffe, das hat sie«, murmelte Lucía, und in ihrem Kopf standen die Wörter nebeneinander wie drei grinsende Götzen.

Vertrauen. Gehen lassen. Später bereuen.

Schließlich senkte sie die Schultern, der winzigste Beweis ihrer Unsicherheit. »Gehen wir. Für heute habe ich genug von der Trinitriad.«

Allerdings konnte Lucía nicht ahnen, dass Zhenferro sein Versprechen gegenüber Basilio alsbald einlösen würde – und es alte Rätsel beantworten und neue Fragen auftun würde.

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