

ruptA - ATTACKIEREN
ruptA - ATTACKIEREN
ruptA - ATTACKIEREN

Es gab einen simplen Befehl bei den Recovains, der Tod und Verderben über ihre Feinde brachte, sobald der stille Laut die Lippen verließ.
»Rupta.« – und mit einem Mal stand die Welt still.
Das Wort war kaum gesprochen, da löste sich alles, was das Patt behutsam zusammengehalten hatte: der Umstand, dass niemand nachgeben wollte, niemand einen Schritt nach vorn machte, ja, das fragile Gleichgewicht aus Höflichkeit und Drohung.
Nun herrschte wenigstens Gewissheit.
Der erste Schuss jagte mit einem tiefen Pfeifen aus Lucías Pistole, als hätte er schon die ganze Zeit unter dem Lauf gewartet, und der Rückstoß lief ihr vom Handgelenk in die Schulter wie ein elektrischer Faden; links riss der rechte Begleiter Zhenferros die Mündung hoch, traf eine Lampe und goss gelbes Glas in Funken über den Gang, bevor Lucías Schuss ihn traf und er mit einem Röcheln zu Boden ging. Rechts warf sich Basilio in Deckung und gab zwei kurze, saubere Schüsse ab, die so klangen, als habe jemand zwei kleine Sprengsätze gezündet.
Das Haus erwachte in einem Spiel aus fliegenden Kugeln und berstendem Glas.
Lucía wechselte die Seite und ging hinter einer Säule in Deckung – keine Sekunde zu früh –, als Zhenferro mehrere Schüsse aus seiner eigenartigen Waffe abfeuerte, die durch den Schalldämpfer kaum zu hören waren. Sie bohrten sich zielstrebig neben sie. Der zweite Begleiter setzte nach – besser, kälter als sein Kamerad, mit einem geübten, unsichtbaren Metronom im Kopf – und nagelte Lucía an der Säule fest. Zwei Schüsse, die ihn an den Beinen trafen und ihn zusammensacken ließen, und Basilio zog ihn aus dem Bild: ein sauberer Schuss aus der Deckung heraus, ohne hinzusehen.
Da war es nur noch einer.
Zhenferro blieb nirgends, wo man ihn erwarten durfte. Er bewegte sich wie jemand, der einen Raum schon kannte, bevor er ihn zum ersten Mal betreten hatte – ein Seitenwechsel, ein halber Schritt, ein Schatten, der unmöglich zu fassen war. Kaum vermutete sie ihn hinter einer Deckung, flog das Blei bereits aus einer völlig anderen Richtung auf sie zu. Lucía fluchte, als sie bereits zum dritten Mal in die Deckung gezwungen wurde und Holzsplitter in ihre Richtung flogen.
Wie machte der alte Mann das nur?
Dann sah sie, wie Basilio mit einem Mal aus seiner Deckung hervorsprang und geradewegs auf einen dunklen Schatten hinter einem Spieltisch zulief, den Recolt vor sich und mit dem Willen, statt Kugeln das schwere Metall der Waffe im Nahkampf einzusetzen.
Es war dieser Ansturm, auf den Zhenferro gewartet hatte.
Das kreischende Geräusch von Metall, das geschreddert wurde, ließ Lucía vor Schmerz das Gesicht verziehen. Einzelne Lichtblitze, die aussahen, als hätte jemand einen Funkenregen in die Form einer Patrone gepresst, flogen geradewegs auf Basilio zu und erwischten ihn an den Armen, an den Beinen, schließlich am Oberkörper. Für einen Moment schien es, als ob die Geschosse geradewegs durch ihn hindurchgegangen wären, als er mit einem verdutzten Gesichtsausdruck zu Lucía herüberschaute.
Dann wurde er zurückgestoßen und prallte auf einen der Tische, der mit einem Knirschen zusammenbrach und ihn in einer Wolke aus Holz und Staub unter sich begrub. Für einen Moment herrschte Stille im Raum, die lauter war als jeder Schusswechsel.
Nein.
Zhenferros Stimme kam hell und hart durch den Rauch, mit einem hörbaren Bedauern in ihr. Es klang so, als rede er über gebrochene Etikette, nicht über den nahenden Tod eines Mannes: »Ich schieße auf niemanden, der am Boden liegt.« Kein Ausdruck des Triumphs oder der Gnade – eher die Notiz eines Mannes, der sich an Regeln hielt, weil Regeln ihm sein ganzes Leben gedient hatten. Dann verschwand er wieder in den Schatten, glitt quer durch die Lounge, dorthin, wo Lucía nur undeutlich die Umrisse weiterer Spieltische erkennen konnte.
Basilio.
Lucía war schon bei ihm, bevor sie überhaupt verstanden hatte, was passiert war. »Atmen. Zu mir.« Sie riss den Gürtel aus seiner Gürtelschlaufe, presste ihn auf die Stelle, wo der Stoff dunkler wurde. Das Blut trat aus unzähligen Wunden hervor, viel mehr, als sie zählen konnte. Es wirkte so, als hätte Zhenferro eine Welle an Metallspänen auf ihren Kameraden gefeuert. Ihre Hand wurde warm und rutschig in einer Geschwindigkeit, die sie wütend machte. »Bleib hier, hörst du? Druck. Hier. Drück.« Er nickte, ein knappes, fahriges Nicken, bei dem die Zähne zu sehen waren. »Schnapp dir den Mistkerl«, brachte er hervor, und dann: »Ich geh schon nicht weg.«
Sie nickte nur mechanisch. In diesem Moment übernahm ihr Körper, übernahm ihre Ausbildung ihre gesamten Sinne und gab ihr keinen Augenblick des Nachdenkens über das, was unweigerlich passieren würde. »Ich weiß.«
Sie wusste es, aber sie sagte es nicht.
Sie drückte seine Hand auf den Gurt, schob ihm die Schulter an die Wand, als könne sie ihn damit an der Welt befestigen, und stand auf – ihr einziges Ziel der alte Mann, der auf ihren Kameraden geschossen hatte. Die Lounge war jetzt eine Krypta aus schrägen Winkeln und vereinzelten Lichtstrahlen.
Licht.
Lucía atmete zweimal durch die Nase, schob die Waffe vor das Gesicht, bis das Korn wieder vor ihren Augen war, und trat vorsichtig in das Halbdunkel der Lounge, das jetzt besonders trügerisch erschien. Sie würde den Trinitriad finden und richten, so wie es ihr Glaube von ihr verlangte, und Gerechtigkeit für Basilio einfordern. Dann hörte sie ihn.
Hinter der Bar lag eine Scherbe, die knisterte. Links: der matte Abdruck einer Schuhsohle auf glänzendem Holz. Rechts: ein achtlos weggeworfenes Magazin. Und dann – ein Atem, nicht ihrer, ruhig und tief; nicht von jemandem, der zum Töten oder zum Sterben hier war.
Nicht Lucías und nicht Basilios Atem.
Sie trat mit gezogenem Recolt direkt auf die Bar zu, und Zhenferro und sie fanden sich im selben Augenblick. Er war näher als gedacht, sein Gesicht im blauen Schein des Raums wie aus Stein, der seine Politur verloren hatte. Er hob die Waffe, sie hob die ihre. Zwei Linien, die sich kreuzten, beide auf die Stirn des jeweils anderen gerichtet. Eine Weile sagten sie beide nichts, gaben keinen Schuss ab und blickten sich nur an – die eine voller Zorn, der andere beinahe traurig.
»Wir hätten das eleganter lösen können«, sagte er. Seine Stimme war nicht mehr als ein Hauch. »Sie hätten heute leben können.«
»Vielleicht werden wir das«, sagte Lucía. Er sprach sie nicht auf die Lüge an.
Sie sah seine Hand. Nicht die Waffe – die Hand. Der Zeigefinger lag locker am Abzug, doch bereit, jederzeit abzudrücken. Es war womöglich die Neugier darüber, was sie jetzt tun würde, oder eine leise, naive Hoffnung, dass kein weiteres Blut vergossen werden müsste, die ihn vom Schießen abhielt.
Lucía dachte an Basilio – an die unzähligen Male, in denen sie sich gegenseitig das Leben gerettet hatten, an die Art, wie sein Blick nie diese Ruhe verlor, an das Geheimnis über sein vergangenes Leben, das sie jetzt nie würde lüften können.
»Drei«, sagte sie, ohne zu wissen, warum.
Zhenferro nickte nur. »Zwei.«
Sie dachte an Basilio. »Eins«, sagte sie.
Auf bald, mein Freund.
Sie schossen gleichzeitig.

Es gab einen simplen Befehl bei den Recovains, der Tod und Verderben über ihre Feinde brachte, sobald der stille Laut die Lippen verließ.
»Rupta.« – und mit einem Mal stand die Welt still.
Das Wort war kaum gesprochen, da löste sich alles, was das Patt behutsam zusammengehalten hatte: der Umstand, dass niemand nachgeben wollte, niemand einen Schritt nach vorn machte, ja, das fragile Gleichgewicht aus Höflichkeit und Drohung.
Nun herrschte wenigstens Gewissheit.
Der erste Schuss jagte mit einem tiefen Pfeifen aus Lucías Pistole, als hätte er schon die ganze Zeit unter dem Lauf gewartet, und der Rückstoß lief ihr vom Handgelenk in die Schulter wie ein elektrischer Faden; links riss der rechte Begleiter Zhenferros die Mündung hoch, traf eine Lampe und goss gelbes Glas in Funken über den Gang, bevor Lucías Schuss ihn traf und er mit einem Röcheln zu Boden ging. Rechts warf sich Basilio in Deckung und gab zwei kurze, saubere Schüsse ab, die so klangen, als habe jemand zwei kleine Sprengsätze gezündet.
Das Haus erwachte in einem Spiel aus fliegenden Kugeln und berstendem Glas.
Lucía wechselte die Seite und ging hinter einer Säule in Deckung – keine Sekunde zu früh –, als Zhenferro mehrere Schüsse aus seiner eigenartigen Waffe abfeuerte, die durch den Schalldämpfer kaum zu hören waren. Sie bohrten sich zielstrebig neben sie. Der zweite Begleiter setzte nach – besser, kälter als sein Kamerad, mit einem geübten, unsichtbaren Metronom im Kopf – und nagelte Lucía an der Säule fest. Zwei Schüsse, die ihn an den Beinen trafen und ihn zusammensacken ließen, und Basilio zog ihn aus dem Bild: ein sauberer Schuss aus der Deckung heraus, ohne hinzusehen.
Da war es nur noch einer.
Zhenferro blieb nirgends, wo man ihn erwarten durfte. Er bewegte sich wie jemand, der einen Raum schon kannte, bevor er ihn zum ersten Mal betreten hatte – ein Seitenwechsel, ein halber Schritt, ein Schatten, der unmöglich zu fassen war. Kaum vermutete sie ihn hinter einer Deckung, flog das Blei bereits aus einer völlig anderen Richtung auf sie zu. Lucía fluchte, als sie bereits zum dritten Mal in die Deckung gezwungen wurde und Holzsplitter in ihre Richtung flogen.
Wie machte der alte Mann das nur?
Dann sah sie, wie Basilio mit einem Mal aus seiner Deckung hervorsprang und geradewegs auf einen dunklen Schatten hinter einem Spieltisch zulief, den Recolt vor sich und mit dem Willen, statt Kugeln das schwere Metall der Waffe im Nahkampf einzusetzen.
Es war dieser Ansturm, auf den Zhenferro gewartet hatte.
Das kreischende Geräusch von Metall, das geschreddert wurde, ließ Lucía vor Schmerz das Gesicht verziehen. Einzelne Lichtblitze, die aussahen, als hätte jemand einen Funkenregen in die Form einer Patrone gepresst, flogen geradewegs auf Basilio zu und erwischten ihn an den Armen, an den Beinen, schließlich am Oberkörper. Für einen Moment schien es, als ob die Geschosse geradewegs durch ihn hindurchgegangen wären, als er mit einem verdutzten Gesichtsausdruck zu Lucía herüberschaute.
Dann wurde er zurückgestoßen und prallte auf einen der Tische, der mit einem Knirschen zusammenbrach und ihn in einer Wolke aus Holz und Staub unter sich begrub. Für einen Moment herrschte Stille im Raum, die lauter war als jeder Schusswechsel.
Nein.
Zhenferros Stimme kam hell und hart durch den Rauch, mit einem hörbaren Bedauern in ihr. Es klang so, als rede er über gebrochene Etikette, nicht über den nahenden Tod eines Mannes: »Ich schieße auf niemanden, der am Boden liegt.« Kein Ausdruck des Triumphs oder der Gnade – eher die Notiz eines Mannes, der sich an Regeln hielt, weil Regeln ihm sein ganzes Leben gedient hatten. Dann verschwand er wieder in den Schatten, glitt quer durch die Lounge, dorthin, wo Lucía nur undeutlich die Umrisse weiterer Spieltische erkennen konnte.
Basilio.
Lucía war schon bei ihm, bevor sie überhaupt verstanden hatte, was passiert war. »Atmen. Zu mir.« Sie riss den Gürtel aus seiner Gürtelschlaufe, presste ihn auf die Stelle, wo der Stoff dunkler wurde. Das Blut trat aus unzähligen Wunden hervor, viel mehr, als sie zählen konnte. Es wirkte so, als hätte Zhenferro eine Welle an Metallspänen auf ihren Kameraden gefeuert. Ihre Hand wurde warm und rutschig in einer Geschwindigkeit, die sie wütend machte. »Bleib hier, hörst du? Druck. Hier. Drück.« Er nickte, ein knappes, fahriges Nicken, bei dem die Zähne zu sehen waren. »Schnapp dir den Mistkerl«, brachte er hervor, und dann: »Ich geh schon nicht weg.«
Sie nickte nur mechanisch. In diesem Moment übernahm ihr Körper, übernahm ihre Ausbildung ihre gesamten Sinne und gab ihr keinen Augenblick des Nachdenkens über das, was unweigerlich passieren würde. »Ich weiß.«
Sie wusste es, aber sie sagte es nicht.
Sie drückte seine Hand auf den Gurt, schob ihm die Schulter an die Wand, als könne sie ihn damit an der Welt befestigen, und stand auf – ihr einziges Ziel der alte Mann, der auf ihren Kameraden geschossen hatte. Die Lounge war jetzt eine Krypta aus schrägen Winkeln und vereinzelten Lichtstrahlen.
Licht.
Lucía atmete zweimal durch die Nase, schob die Waffe vor das Gesicht, bis das Korn wieder vor ihren Augen war, und trat vorsichtig in das Halbdunkel der Lounge, das jetzt besonders trügerisch erschien. Sie würde den Trinitriad finden und richten, so wie es ihr Glaube von ihr verlangte, und Gerechtigkeit für Basilio einfordern. Dann hörte sie ihn.
Hinter der Bar lag eine Scherbe, die knisterte. Links: der matte Abdruck einer Schuhsohle auf glänzendem Holz. Rechts: ein achtlos weggeworfenes Magazin. Und dann – ein Atem, nicht ihrer, ruhig und tief; nicht von jemandem, der zum Töten oder zum Sterben hier war.
Nicht Lucías und nicht Basilios Atem.
Sie trat mit gezogenem Recolt direkt auf die Bar zu, und Zhenferro und sie fanden sich im selben Augenblick. Er war näher als gedacht, sein Gesicht im blauen Schein des Raums wie aus Stein, der seine Politur verloren hatte. Er hob die Waffe, sie hob die ihre. Zwei Linien, die sich kreuzten, beide auf die Stirn des jeweils anderen gerichtet. Eine Weile sagten sie beide nichts, gaben keinen Schuss ab und blickten sich nur an – die eine voller Zorn, der andere beinahe traurig.
»Wir hätten das eleganter lösen können«, sagte er. Seine Stimme war nicht mehr als ein Hauch. »Sie hätten heute leben können.«
»Vielleicht werden wir das«, sagte Lucía. Er sprach sie nicht auf die Lüge an.
Sie sah seine Hand. Nicht die Waffe – die Hand. Der Zeigefinger lag locker am Abzug, doch bereit, jederzeit abzudrücken. Es war womöglich die Neugier darüber, was sie jetzt tun würde, oder eine leise, naive Hoffnung, dass kein weiteres Blut vergossen werden müsste, die ihn vom Schießen abhielt.
Lucía dachte an Basilio – an die unzähligen Male, in denen sie sich gegenseitig das Leben gerettet hatten, an die Art, wie sein Blick nie diese Ruhe verlor, an das Geheimnis über sein vergangenes Leben, das sie jetzt nie würde lüften können.
»Drei«, sagte sie, ohne zu wissen, warum.
Zhenferro nickte nur. »Zwei.«
Sie dachte an Basilio. »Eins«, sagte sie.
Auf bald, mein Freund.
Sie schossen gleichzeitig.

Es gab einen simplen Befehl bei den Recovains, der Tod und Verderben über ihre Feinde brachte, sobald der stille Laut die Lippen verließ.
»Rupta.« – und mit einem Mal stand die Welt still.
Das Wort war kaum gesprochen, da löste sich alles, was das Patt behutsam zusammengehalten hatte: der Umstand, dass niemand nachgeben wollte, niemand einen Schritt nach vorn machte, ja, das fragile Gleichgewicht aus Höflichkeit und Drohung.
Nun herrschte wenigstens Gewissheit.
Der erste Schuss jagte mit einem tiefen Pfeifen aus Lucías Pistole, als hätte er schon die ganze Zeit unter dem Lauf gewartet, und der Rückstoß lief ihr vom Handgelenk in die Schulter wie ein elektrischer Faden; links riss der rechte Begleiter Zhenferros die Mündung hoch, traf eine Lampe und goss gelbes Glas in Funken über den Gang, bevor Lucías Schuss ihn traf und er mit einem Röcheln zu Boden ging. Rechts warf sich Basilio in Deckung und gab zwei kurze, saubere Schüsse ab, die so klangen, als habe jemand zwei kleine Sprengsätze gezündet.
Das Haus erwachte in einem Spiel aus fliegenden Kugeln und berstendem Glas.
Lucía wechselte die Seite und ging hinter einer Säule in Deckung – keine Sekunde zu früh –, als Zhenferro mehrere Schüsse aus seiner eigenartigen Waffe abfeuerte, die durch den Schalldämpfer kaum zu hören waren. Sie bohrten sich zielstrebig neben sie. Der zweite Begleiter setzte nach – besser, kälter als sein Kamerad, mit einem geübten, unsichtbaren Metronom im Kopf – und nagelte Lucía an der Säule fest. Zwei Schüsse, die ihn an den Beinen trafen und ihn zusammensacken ließen, und Basilio zog ihn aus dem Bild: ein sauberer Schuss aus der Deckung heraus, ohne hinzusehen.
Da war es nur noch einer.
Zhenferro blieb nirgends, wo man ihn erwarten durfte. Er bewegte sich wie jemand, der einen Raum schon kannte, bevor er ihn zum ersten Mal betreten hatte – ein Seitenwechsel, ein halber Schritt, ein Schatten, der unmöglich zu fassen war. Kaum vermutete sie ihn hinter einer Deckung, flog das Blei bereits aus einer völlig anderen Richtung auf sie zu. Lucía fluchte, als sie bereits zum dritten Mal in die Deckung gezwungen wurde und Holzsplitter in ihre Richtung flogen.
Wie machte der alte Mann das nur?
Dann sah sie, wie Basilio mit einem Mal aus seiner Deckung hervorsprang und geradewegs auf einen dunklen Schatten hinter einem Spieltisch zulief, den Recolt vor sich und mit dem Willen, statt Kugeln das schwere Metall der Waffe im Nahkampf einzusetzen.
Es war dieser Ansturm, auf den Zhenferro gewartet hatte.
Das kreischende Geräusch von Metall, das geschreddert wurde, ließ Lucía vor Schmerz das Gesicht verziehen. Einzelne Lichtblitze, die aussahen, als hätte jemand einen Funkenregen in die Form einer Patrone gepresst, flogen geradewegs auf Basilio zu und erwischten ihn an den Armen, an den Beinen, schließlich am Oberkörper. Für einen Moment schien es, als ob die Geschosse geradewegs durch ihn hindurchgegangen wären, als er mit einem verdutzten Gesichtsausdruck zu Lucía herüberschaute.
Dann wurde er zurückgestoßen und prallte auf einen der Tische, der mit einem Knirschen zusammenbrach und ihn in einer Wolke aus Holz und Staub unter sich begrub. Für einen Moment herrschte Stille im Raum, die lauter war als jeder Schusswechsel.
Nein.
Zhenferros Stimme kam hell und hart durch den Rauch, mit einem hörbaren Bedauern in ihr. Es klang so, als rede er über gebrochene Etikette, nicht über den nahenden Tod eines Mannes: »Ich schieße auf niemanden, der am Boden liegt.« Kein Ausdruck des Triumphs oder der Gnade – eher die Notiz eines Mannes, der sich an Regeln hielt, weil Regeln ihm sein ganzes Leben gedient hatten. Dann verschwand er wieder in den Schatten, glitt quer durch die Lounge, dorthin, wo Lucía nur undeutlich die Umrisse weiterer Spieltische erkennen konnte.
Basilio.
Lucía war schon bei ihm, bevor sie überhaupt verstanden hatte, was passiert war. »Atmen. Zu mir.« Sie riss den Gürtel aus seiner Gürtelschlaufe, presste ihn auf die Stelle, wo der Stoff dunkler wurde. Das Blut trat aus unzähligen Wunden hervor, viel mehr, als sie zählen konnte. Es wirkte so, als hätte Zhenferro eine Welle an Metallspänen auf ihren Kameraden gefeuert. Ihre Hand wurde warm und rutschig in einer Geschwindigkeit, die sie wütend machte. »Bleib hier, hörst du? Druck. Hier. Drück.« Er nickte, ein knappes, fahriges Nicken, bei dem die Zähne zu sehen waren. »Schnapp dir den Mistkerl«, brachte er hervor, und dann: »Ich geh schon nicht weg.«
Sie nickte nur mechanisch. In diesem Moment übernahm ihr Körper, übernahm ihre Ausbildung ihre gesamten Sinne und gab ihr keinen Augenblick des Nachdenkens über das, was unweigerlich passieren würde. »Ich weiß.«
Sie wusste es, aber sie sagte es nicht.
Sie drückte seine Hand auf den Gurt, schob ihm die Schulter an die Wand, als könne sie ihn damit an der Welt befestigen, und stand auf – ihr einziges Ziel der alte Mann, der auf ihren Kameraden geschossen hatte. Die Lounge war jetzt eine Krypta aus schrägen Winkeln und vereinzelten Lichtstrahlen.
Licht.
Lucía atmete zweimal durch die Nase, schob die Waffe vor das Gesicht, bis das Korn wieder vor ihren Augen war, und trat vorsichtig in das Halbdunkel der Lounge, das jetzt besonders trügerisch erschien. Sie würde den Trinitriad finden und richten, so wie es ihr Glaube von ihr verlangte, und Gerechtigkeit für Basilio einfordern. Dann hörte sie ihn.
Hinter der Bar lag eine Scherbe, die knisterte. Links: der matte Abdruck einer Schuhsohle auf glänzendem Holz. Rechts: ein achtlos weggeworfenes Magazin. Und dann – ein Atem, nicht ihrer, ruhig und tief; nicht von jemandem, der zum Töten oder zum Sterben hier war.
Nicht Lucías und nicht Basilios Atem.
Sie trat mit gezogenem Recolt direkt auf die Bar zu, und Zhenferro und sie fanden sich im selben Augenblick. Er war näher als gedacht, sein Gesicht im blauen Schein des Raums wie aus Stein, der seine Politur verloren hatte. Er hob die Waffe, sie hob die ihre. Zwei Linien, die sich kreuzten, beide auf die Stirn des jeweils anderen gerichtet. Eine Weile sagten sie beide nichts, gaben keinen Schuss ab und blickten sich nur an – die eine voller Zorn, der andere beinahe traurig.
»Wir hätten das eleganter lösen können«, sagte er. Seine Stimme war nicht mehr als ein Hauch. »Sie hätten heute leben können.«
»Vielleicht werden wir das«, sagte Lucía. Er sprach sie nicht auf die Lüge an.
Sie sah seine Hand. Nicht die Waffe – die Hand. Der Zeigefinger lag locker am Abzug, doch bereit, jederzeit abzudrücken. Es war womöglich die Neugier darüber, was sie jetzt tun würde, oder eine leise, naive Hoffnung, dass kein weiteres Blut vergossen werden müsste, die ihn vom Schießen abhielt.
Lucía dachte an Basilio – an die unzähligen Male, in denen sie sich gegenseitig das Leben gerettet hatten, an die Art, wie sein Blick nie diese Ruhe verlor, an das Geheimnis über sein vergangenes Leben, das sie jetzt nie würde lüften können.
»Drei«, sagte sie, ohne zu wissen, warum.
Zhenferro nickte nur. »Zwei.«
Sie dachte an Basilio. »Eins«, sagte sie.
Auf bald, mein Freund.
Sie schossen gleichzeitig.

Es gab einen simplen Befehl bei den Recovains, der Tod und Verderben über ihre Feinde brachte, sobald der stille Laut die Lippen verließ.
»Rupta.« – und mit einem Mal stand die Welt still.
Das Wort war kaum gesprochen, da löste sich alles, was das Patt behutsam zusammengehalten hatte: der Umstand, dass niemand nachgeben wollte, niemand einen Schritt nach vorn machte, ja, das fragile Gleichgewicht aus Höflichkeit und Drohung.
Nun herrschte wenigstens Gewissheit.
Der erste Schuss jagte mit einem tiefen Pfeifen aus Lucías Pistole, als hätte er schon die ganze Zeit unter dem Lauf gewartet, und der Rückstoß lief ihr vom Handgelenk in die Schulter wie ein elektrischer Faden; links riss der rechte Begleiter Zhenferros die Mündung hoch, traf eine Lampe und goss gelbes Glas in Funken über den Gang, bevor Lucías Schuss ihn traf und er mit einem Röcheln zu Boden ging. Rechts warf sich Basilio in Deckung und gab zwei kurze, saubere Schüsse ab, die so klangen, als habe jemand zwei kleine Sprengsätze gezündet.
Das Haus erwachte in einem Spiel aus fliegenden Kugeln und berstendem Glas.
Lucía wechselte die Seite und ging hinter einer Säule in Deckung – keine Sekunde zu früh –, als Zhenferro mehrere Schüsse aus seiner eigenartigen Waffe abfeuerte, die durch den Schalldämpfer kaum zu hören waren. Sie bohrten sich zielstrebig neben sie. Der zweite Begleiter setzte nach – besser, kälter als sein Kamerad, mit einem geübten, unsichtbaren Metronom im Kopf – und nagelte Lucía an der Säule fest. Zwei Schüsse, die ihn an den Beinen trafen und ihn zusammensacken ließen, und Basilio zog ihn aus dem Bild: ein sauberer Schuss aus der Deckung heraus, ohne hinzusehen.
Da war es nur noch einer.
Zhenferro blieb nirgends, wo man ihn erwarten durfte. Er bewegte sich wie jemand, der einen Raum schon kannte, bevor er ihn zum ersten Mal betreten hatte – ein Seitenwechsel, ein halber Schritt, ein Schatten, der unmöglich zu fassen war. Kaum vermutete sie ihn hinter einer Deckung, flog das Blei bereits aus einer völlig anderen Richtung auf sie zu. Lucía fluchte, als sie bereits zum dritten Mal in die Deckung gezwungen wurde und Holzsplitter in ihre Richtung flogen.
Wie machte der alte Mann das nur?
Dann sah sie, wie Basilio mit einem Mal aus seiner Deckung hervorsprang und geradewegs auf einen dunklen Schatten hinter einem Spieltisch zulief, den Recolt vor sich und mit dem Willen, statt Kugeln das schwere Metall der Waffe im Nahkampf einzusetzen.
Es war dieser Ansturm, auf den Zhenferro gewartet hatte.
Das kreischende Geräusch von Metall, das geschreddert wurde, ließ Lucía vor Schmerz das Gesicht verziehen. Einzelne Lichtblitze, die aussahen, als hätte jemand einen Funkenregen in die Form einer Patrone gepresst, flogen geradewegs auf Basilio zu und erwischten ihn an den Armen, an den Beinen, schließlich am Oberkörper. Für einen Moment schien es, als ob die Geschosse geradewegs durch ihn hindurchgegangen wären, als er mit einem verdutzten Gesichtsausdruck zu Lucía herüberschaute.
Dann wurde er zurückgestoßen und prallte auf einen der Tische, der mit einem Knirschen zusammenbrach und ihn in einer Wolke aus Holz und Staub unter sich begrub. Für einen Moment herrschte Stille im Raum, die lauter war als jeder Schusswechsel.
Nein.
Zhenferros Stimme kam hell und hart durch den Rauch, mit einem hörbaren Bedauern in ihr. Es klang so, als rede er über gebrochene Etikette, nicht über den nahenden Tod eines Mannes: »Ich schieße auf niemanden, der am Boden liegt.« Kein Ausdruck des Triumphs oder der Gnade – eher die Notiz eines Mannes, der sich an Regeln hielt, weil Regeln ihm sein ganzes Leben gedient hatten. Dann verschwand er wieder in den Schatten, glitt quer durch die Lounge, dorthin, wo Lucía nur undeutlich die Umrisse weiterer Spieltische erkennen konnte.
Basilio.
Lucía war schon bei ihm, bevor sie überhaupt verstanden hatte, was passiert war. »Atmen. Zu mir.« Sie riss den Gürtel aus seiner Gürtelschlaufe, presste ihn auf die Stelle, wo der Stoff dunkler wurde. Das Blut trat aus unzähligen Wunden hervor, viel mehr, als sie zählen konnte. Es wirkte so, als hätte Zhenferro eine Welle an Metallspänen auf ihren Kameraden gefeuert. Ihre Hand wurde warm und rutschig in einer Geschwindigkeit, die sie wütend machte. »Bleib hier, hörst du? Druck. Hier. Drück.« Er nickte, ein knappes, fahriges Nicken, bei dem die Zähne zu sehen waren. »Schnapp dir den Mistkerl«, brachte er hervor, und dann: »Ich geh schon nicht weg.«
Sie nickte nur mechanisch. In diesem Moment übernahm ihr Körper, übernahm ihre Ausbildung ihre gesamten Sinne und gab ihr keinen Augenblick des Nachdenkens über das, was unweigerlich passieren würde. »Ich weiß.«
Sie wusste es, aber sie sagte es nicht.
Sie drückte seine Hand auf den Gurt, schob ihm die Schulter an die Wand, als könne sie ihn damit an der Welt befestigen, und stand auf – ihr einziges Ziel der alte Mann, der auf ihren Kameraden geschossen hatte. Die Lounge war jetzt eine Krypta aus schrägen Winkeln und vereinzelten Lichtstrahlen.
Licht.
Lucía atmete zweimal durch die Nase, schob die Waffe vor das Gesicht, bis das Korn wieder vor ihren Augen war, und trat vorsichtig in das Halbdunkel der Lounge, das jetzt besonders trügerisch erschien. Sie würde den Trinitriad finden und richten, so wie es ihr Glaube von ihr verlangte, und Gerechtigkeit für Basilio einfordern. Dann hörte sie ihn.
Hinter der Bar lag eine Scherbe, die knisterte. Links: der matte Abdruck einer Schuhsohle auf glänzendem Holz. Rechts: ein achtlos weggeworfenes Magazin. Und dann – ein Atem, nicht ihrer, ruhig und tief; nicht von jemandem, der zum Töten oder zum Sterben hier war.
Nicht Lucías und nicht Basilios Atem.
Sie trat mit gezogenem Recolt direkt auf die Bar zu, und Zhenferro und sie fanden sich im selben Augenblick. Er war näher als gedacht, sein Gesicht im blauen Schein des Raums wie aus Stein, der seine Politur verloren hatte. Er hob die Waffe, sie hob die ihre. Zwei Linien, die sich kreuzten, beide auf die Stirn des jeweils anderen gerichtet. Eine Weile sagten sie beide nichts, gaben keinen Schuss ab und blickten sich nur an – die eine voller Zorn, der andere beinahe traurig.
»Wir hätten das eleganter lösen können«, sagte er. Seine Stimme war nicht mehr als ein Hauch. »Sie hätten heute leben können.«
»Vielleicht werden wir das«, sagte Lucía. Er sprach sie nicht auf die Lüge an.
Sie sah seine Hand. Nicht die Waffe – die Hand. Der Zeigefinger lag locker am Abzug, doch bereit, jederzeit abzudrücken. Es war womöglich die Neugier darüber, was sie jetzt tun würde, oder eine leise, naive Hoffnung, dass kein weiteres Blut vergossen werden müsste, die ihn vom Schießen abhielt.
Lucía dachte an Basilio – an die unzähligen Male, in denen sie sich gegenseitig das Leben gerettet hatten, an die Art, wie sein Blick nie diese Ruhe verlor, an das Geheimnis über sein vergangenes Leben, das sie jetzt nie würde lüften können.
»Drei«, sagte sie, ohne zu wissen, warum.
Zhenferro nickte nur. »Zwei.«
Sie dachte an Basilio. »Eins«, sagte sie.
Auf bald, mein Freund.
Sie schossen gleichzeitig.
Es gab einen simplen Befehl bei den Recovains, der Tod und Verderben über ihre Feinde brachte, sobald der stille Laut die Lippen verließ.
»Rupta.« – und mit einem Mal stand die Welt still.
Das Wort war kaum gesprochen, da löste sich alles, was das Patt behutsam zusammengehalten hatte: der Umstand, dass niemand nachgeben wollte, niemand einen Schritt nach vorn machte, ja, das fragile Gleichgewicht aus Höflichkeit und Drohung.
Nun herrschte wenigstens Gewissheit.
Der erste Schuss jagte mit einem tiefen Pfeifen aus Lucías Pistole, als hätte er schon die ganze Zeit unter dem Lauf gewartet, und der Rückstoß lief ihr vom Handgelenk in die Schulter wie ein elektrischer Faden; links riss der rechte Begleiter Zhenferros die Mündung hoch, traf eine Lampe und goss gelbes Glas in Funken über den Gang, bevor Lucías Schuss ihn traf und er mit einem Röcheln zu Boden ging. Rechts warf sich Basilio in Deckung und gab zwei kurze, saubere Schüsse ab, die so klangen, als habe jemand zwei kleine Sprengsätze gezündet.
Das Haus erwachte in einem Spiel aus fliegenden Kugeln und berstendem Glas.
Lucía wechselte die Seite und ging hinter einer Säule in Deckung – keine Sekunde zu früh –, als Zhenferro mehrere Schüsse aus seiner eigenartigen Waffe abfeuerte, die durch den Schalldämpfer kaum zu hören waren. Sie bohrten sich zielstrebig neben sie. Der zweite Begleiter setzte nach – besser, kälter als sein Kamerad, mit einem geübten, unsichtbaren Metronom im Kopf – und nagelte Lucía an der Säule fest. Zwei Schüsse, die ihn an den Beinen trafen und ihn zusammensacken ließen, und Basilio zog ihn aus dem Bild: ein sauberer Schuss aus der Deckung heraus, ohne hinzusehen.
Da war es nur noch einer.
Zhenferro blieb nirgends, wo man ihn erwarten durfte. Er bewegte sich wie jemand, der einen Raum schon kannte, bevor er ihn zum ersten Mal betreten hatte – ein Seitenwechsel, ein halber Schritt, ein Schatten, der unmöglich zu fassen war. Kaum vermutete sie ihn hinter einer Deckung, flog das Blei bereits aus einer völlig anderen Richtung auf sie zu. Lucía fluchte, als sie bereits zum dritten Mal in die Deckung gezwungen wurde und Holzsplitter in ihre Richtung flogen.
Wie machte der alte Mann das nur?
Dann sah sie, wie Basilio mit einem Mal aus seiner Deckung hervorsprang und geradewegs auf einen dunklen Schatten hinter einem Spieltisch zulief, den Recolt vor sich und mit dem Willen, statt Kugeln das schwere Metall der Waffe im Nahkampf einzusetzen.
Es war dieser Ansturm, auf den Zhenferro gewartet hatte.
Das kreischende Geräusch von Metall, das geschreddert wurde, ließ Lucía vor Schmerz das Gesicht verziehen. Einzelne Lichtblitze, die aussahen, als hätte jemand einen Funkenregen in die Form einer Patrone gepresst, flogen geradewegs auf Basilio zu und erwischten ihn an den Armen, an den Beinen, schließlich am Oberkörper.
Für einen Moment schien es, als ob die Geschosse geradewegs durch ihn hindurchgegangen wären, als er mit einem verdutzten Gesichtsausdruck zu Lucía herüberschaute.
Dann wurde er zurückgestoßen und prallte auf einen der Tische, der mit einem Knirschen zusammenbrach und ihn in einer Wolke aus Holz und Staub unter sich begrub. Für einen Moment herrschte Stille im Raum, die lauter war als jeder Schusswechsel.
Nein.
Zhenferros Stimme kam hell und hart durch den Rauch, mit einem hörbaren Bedauern in ihr. Es klang so, als rede er über gebrochene Etikette, nicht über den nahenden Tod eines Mannes: »Ich schieße auf niemanden, der am Boden liegt.« Kein Ausdruck des Triumphs oder der Gnade – eher die Notiz eines Mannes, der sich an Regeln hielt, weil Regeln ihm sein ganzes Leben gedient hatten. Dann verschwand er wieder in den Schatten, glitt quer durch die Lounge, dorthin, wo Lucía nur undeutlich die Umrisse weiterer Spieltische erkennen konnte.
Basilio.
Lucía war schon bei ihm, bevor sie überhaupt verstanden hatte, was passiert war. »Atmen. Zu mir.« Sie riss den Gürtel aus seiner Gürtelschlaufe, presste ihn auf die Stelle, wo der Stoff dunkler wurde. Das Blut trat aus unzähligen Wunden hervor, viel mehr, als sie zählen konnte. Es wirkte so, als hätte Zhenferro eine Welle an Metallspänen auf ihren Kameraden gefeuert. Ihre Hand wurde warm und rutschig in einer Geschwindigkeit, die sie wütend machte. »Bleib hier, hörst du? Druck. Hier. Drück.« Er nickte, ein knappes, fahriges Nicken, bei dem die Zähne zu sehen waren. »Schnapp dir den Mistkerl«, brachte er hervor, und dann: »Ich geh schon nicht weg.«
Sie nickte nur mechanisch. In diesem Moment übernahm ihr Körper, übernahm ihre Ausbildung ihre gesamten Sinne und gab ihr keinen Augenblick des Nachdenkens über das, was unweigerlich passieren würde. »Ich weiß.«
Sie wusste es, aber sie sagte es nicht.
Sie drückte seine Hand auf den Gurt, schob ihm die Schulter an die Wand, als könne sie ihn damit an der Welt befestigen, und stand auf – ihr einziges Ziel der alte Mann, der auf ihren Kameraden geschossen hatte. Die Lounge war jetzt eine Krypta aus schrägen Winkeln und vereinzelten Lichtstrahlen.
Licht.
Lucía atmete zweimal durch die Nase, schob die Waffe vor das Gesicht, bis das Korn wieder vor ihren Augen war, und trat vorsichtig in das Halbdunkel der Lounge, das jetzt besonders trügerisch erschien. Sie würde den Trinitriad finden und richten, so wie es ihr Glaube von ihr verlangte, und Gerechtigkeit für Basilio einfordern. Dann hörte sie ihn.
Hinter der Bar lag eine Scherbe, die knisterte. Links: der matte Abdruck einer Schuhsohle auf glänzendem Holz. Rechts: ein achtlos weggeworfenes Magazin. Und dann – ein Atem, nicht ihrer, ruhig und tief; nicht von jemandem, der zum Töten oder zum Sterben hier war.
Nicht Lucías und nicht Basilios Atem.
Sie trat mit gezogenem Recolt direkt auf die Bar zu, und Zhenferro und sie fanden sich im selben Augenblick. Er war näher als gedacht, sein Gesicht im blauen Schein des Raums wie aus Stein, der seine Politur verloren hatte. Er hob die Waffe, sie hob die ihre. Zwei Linien, die sich kreuzten, beide auf die Stirn des jeweils anderen gerichtet. Eine Weile sagten sie beide nichts, gaben keinen Schuss ab und blickten sich nur an – die eine voller Zorn, der andere beinahe traurig.
»Wir hätten das eleganter lösen können«, sagte er. Seine Stimme war nicht mehr als ein Hauch. »Sie hätten heute leben können.«
»Vielleicht werden wir das«, sagte Lucía. Er sprach sie nicht auf die Lüge an.
Sie sah seine Hand. Nicht die Waffe – die Hand. Der Zeigefinger lag locker am Abzug, doch bereit, jederzeit abzudrücken. Es war womöglich die Neugier darüber, was sie jetzt tun würde, oder eine leise, naive Hoffnung, dass kein weiteres Blut vergossen werden müsste, die ihn vom Schießen abhielt.
Lucía dachte an Basilio – an die unzähligen Male, in denen sie sich gegenseitig das Leben gerettet hatten, an die Art, wie sein Blick nie diese Ruhe verlor, an das Geheimnis über sein vergangenes Leben, das sie jetzt nie würde lüften können.
»Drei«, sagte sie, ohne zu wissen, warum.
Zhenferro nickte nur. »Zwei.«
Sie dachte an Basilio. »Eins«, sagte sie.
Auf bald, mein Freund.
Sie schossen gleichzeitig.
Es gab einen simplen Befehl bei den Recovains, der Tod und Verderben über ihre Feinde brachte, sobald der stille Laut die Lippen verließ.
»Rupta.« – und mit einem Mal stand die Welt still.
Das Wort war kaum gesprochen, da löste sich alles, was das Patt behutsam zusammengehalten hatte: der Umstand, dass niemand nachgeben wollte, niemand einen Schritt nach vorn machte, ja, das fragile Gleichgewicht aus Höflichkeit und Drohung.
Nun herrschte wenigstens Gewissheit.
Der erste Schuss jagte mit einem tiefen Pfeifen aus Lucías Pistole, als hätte er schon die ganze Zeit unter dem Lauf gewartet, und der Rückstoß lief ihr vom Handgelenk in die Schulter wie ein elektrischer Faden; links riss der rechte Begleiter Zhenferros die Mündung hoch, traf eine Lampe und goss gelbes Glas in Funken über den Gang, bevor Lucías Schuss ihn traf und er mit einem Röcheln zu Boden ging. Rechts warf sich Basilio in Deckung und gab zwei kurze, saubere Schüsse ab, die so klangen, als habe jemand zwei kleine Sprengsätze gezündet.
Das Haus erwachte in einem Spiel aus fliegenden Kugeln und berstendem Glas.
Lucía wechselte die Seite und ging hinter einer Säule in Deckung – keine Sekunde zu früh –, als Zhenferro mehrere Schüsse aus seiner eigenartigen Waffe abfeuerte, die durch den Schalldämpfer kaum zu hören waren. Sie bohrten sich zielstrebig neben sie. Der zweite Begleiter setzte nach – besser, kälter als sein Kamerad, mit einem geübten, unsichtbaren Metronom im Kopf – und nagelte Lucía an der Säule fest. Zwei Schüsse, die ihn an den Beinen trafen und ihn zusammensacken ließen, und Basilio zog ihn aus dem Bild: ein sauberer Schuss aus der Deckung heraus, ohne hinzusehen.
Da war es nur noch einer.
Zhenferro blieb nirgends, wo man ihn erwarten durfte. Er bewegte sich wie jemand, der einen Raum schon kannte, bevor er ihn zum ersten Mal betreten hatte – ein Seitenwechsel, ein halber Schritt, ein Schatten, der unmöglich zu fassen war. Kaum vermutete sie ihn hinter einer Deckung, flog das Blei bereits aus einer völlig anderen Richtung auf sie zu. Lucía fluchte, als sie bereits zum dritten Mal in die Deckung gezwungen wurde und Holzsplitter in ihre Richtung flogen.
Wie machte der alte Mann das nur?
Dann sah sie, wie Basilio mit einem Mal aus seiner Deckung hervorsprang und geradewegs auf einen dunklen Schatten hinter einem Spieltisch zulief, den Recolt vor sich und mit dem Willen, statt Kugeln das schwere Metall der Waffe im Nahkampf einzusetzen.
Es war dieser Ansturm, auf den Zhenferro gewartet hatte.
Das kreischende Geräusch von Metall, das geschreddert wurde, ließ Lucía vor Schmerz das Gesicht verziehen. Einzelne Lichtblitze, die aussahen, als hätte jemand einen Funkenregen in die Form einer Patrone gepresst, flogen geradewegs auf Basilio zu und erwischten ihn an den Armen, an den Beinen, schließlich am Oberkörper.
Für einen Moment schien es, als ob die Geschosse geradewegs durch ihn hindurchgegangen wären, als er mit einem verdutzten Gesichtsausdruck zu Lucía herüberschaute.
Dann wurde er zurückgestoßen und prallte auf einen der Tische, der mit einem Knirschen zusammenbrach und ihn in einer Wolke aus Holz und Staub unter sich begrub. Für einen Moment herrschte Stille im Raum, die lauter war als jeder Schusswechsel.
Nein.
Zhenferros Stimme kam hell und hart durch den Rauch, mit einem hörbaren Bedauern in ihr. Es klang so, als rede er über gebrochene Etikette, nicht über den nahenden Tod eines Mannes: »Ich schieße auf niemanden, der am Boden liegt.« Kein Ausdruck des Triumphs oder der Gnade – eher die Notiz eines Mannes, der sich an Regeln hielt, weil Regeln ihm sein ganzes Leben gedient hatten. Dann verschwand er wieder in den Schatten, glitt quer durch die Lounge, dorthin, wo Lucía nur undeutlich die Umrisse weiterer Spieltische erkennen konnte.
Basilio.
Lucía war schon bei ihm, bevor sie überhaupt verstanden hatte, was passiert war. »Atmen. Zu mir.« Sie riss den Gürtel aus seiner Gürtelschlaufe, presste ihn auf die Stelle, wo der Stoff dunkler wurde. Das Blut trat aus unzähligen Wunden hervor, viel mehr, als sie zählen konnte. Es wirkte so, als hätte Zhenferro eine Welle an Metallspänen auf ihren Kameraden gefeuert. Ihre Hand wurde warm und rutschig in einer Geschwindigkeit, die sie wütend machte. »Bleib hier, hörst du? Druck. Hier. Drück.« Er nickte, ein knappes, fahriges Nicken, bei dem die Zähne zu sehen waren. »Schnapp dir den Mistkerl«, brachte er hervor, und dann: »Ich geh schon nicht weg.«
Sie nickte nur mechanisch. In diesem Moment übernahm ihr Körper, übernahm ihre Ausbildung ihre gesamten Sinne und gab ihr keinen Augenblick des Nachdenkens über das, was unweigerlich passieren würde. »Ich weiß.«
Sie wusste es, aber sie sagte es nicht.
Sie drückte seine Hand auf den Gurt, schob ihm die Schulter an die Wand, als könne sie ihn damit an der Welt befestigen, und stand auf – ihr einziges Ziel der alte Mann, der auf ihren Kameraden geschossen hatte. Die Lounge war jetzt eine Krypta aus schrägen Winkeln und vereinzelten Lichtstrahlen.
Licht.
Lucía atmete zweimal durch die Nase, schob die Waffe vor das Gesicht, bis das Korn wieder vor ihren Augen war, und trat vorsichtig in das Halbdunkel der Lounge, das jetzt besonders trügerisch erschien. Sie würde den Trinitriad finden und richten, so wie es ihr Glaube von ihr verlangte, und Gerechtigkeit für Basilio einfordern. Dann hörte sie ihn.
Hinter der Bar lag eine Scherbe, die knisterte. Links: der matte Abdruck einer Schuhsohle auf glänzendem Holz. Rechts: ein achtlos weggeworfenes Magazin. Und dann – ein Atem, nicht ihrer, ruhig und tief; nicht von jemandem, der zum Töten oder zum Sterben hier war.
Nicht Lucías und nicht Basilios Atem.
Sie trat mit gezogenem Recolt direkt auf die Bar zu, und Zhenferro und sie fanden sich im selben Augenblick. Er war näher als gedacht, sein Gesicht im blauen Schein des Raums wie aus Stein, der seine Politur verloren hatte. Er hob die Waffe, sie hob die ihre. Zwei Linien, die sich kreuzten, beide auf die Stirn des jeweils anderen gerichtet. Eine Weile sagten sie beide nichts, gaben keinen Schuss ab und blickten sich nur an – die eine voller Zorn, der andere beinahe traurig.
»Wir hätten das eleganter lösen können«, sagte er. Seine Stimme war nicht mehr als ein Hauch. »Sie hätten heute leben können.«
»Vielleicht werden wir das«, sagte Lucía. Er sprach sie nicht auf die Lüge an.
Sie sah seine Hand. Nicht die Waffe – die Hand. Der Zeigefinger lag locker am Abzug, doch bereit, jederzeit abzudrücken. Es war womöglich die Neugier darüber, was sie jetzt tun würde, oder eine leise, naive Hoffnung, dass kein weiteres Blut vergossen werden müsste, die ihn vom Schießen abhielt.
Lucía dachte an Basilio – an die unzähligen Male, in denen sie sich gegenseitig das Leben gerettet hatten, an die Art, wie sein Blick nie diese Ruhe verlor, an das Geheimnis über sein vergangenes Leben, das sie jetzt nie würde lüften können.
»Drei«, sagte sie, ohne zu wissen, warum.
Zhenferro nickte nur. »Zwei.«
Sie dachte an Basilio. »Eins«, sagte sie.
Auf bald, mein Freund.
Sie schossen gleichzeitig.
ENDE 5: escorian standoff
ENDE 5: escorian standoff
RETCON EFFECT
RETCON EFFECT

ERLEDIGE EINEN CHARAKTER, DER FÜR SPÄTERE ERZÄHLUNGEN NOCH WICHTIG WIRD. IM ERNST, WAS HAT ZHENFERRO DIR GETAN?
ERLEDIGE EINEN CHARAKTER, DER FÜR SPÄTERE ERZÄHLUNGEN NOCH WICHTIG WIRD. IM ERNST, WAS HAT ZHENFERRO DIR GETAN?