wachmann überwältigen

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Inez dachte einen Moment nach – und schaute schließlich zu Lyz. Es nützte nichts: Téo war auf sich allein gestellt, der Mann am anderen Ende der Leitung war sicherlich drauf und dran, ihn mitzunehmen und sie in diesem goldenen Sarg sitzen zu lassen. Das Einzige, was sie jetzt tun konnten, war, die Initiative zu ergreifen und ihre Überzahl zu nutzen.

Die Welt verengte sich auf Blech und Atem, auf das dumpfe Pochen ihres eigenen Blutes, das in der Kiste wie gegen einen Helm trommelte. Sie tastete im Dunkel nach Lyz’ Hand, fand sie schließlich, und in dieser Berührung lag eine vergleichsweise simple Frage, die sie nicht aussprechen konnte: Bist du bei mir, wenn wir jetzt eventuell etwas sehr Dummes tun?

In ihrem Händedruck lag alles, was sie wissen musste. Sie grinste; das hörte sie. »Nez, wir können hier verfaulen oder wir können ein wenig frische Luft atmen und uns die Beine vertreten … oder jemanden treten. Ist mir beides recht.«

Draußen knirschte etwas, das durch ihr Funkgerät drang: ein Absatz auf Linoleum, eine Stimme – der Mann, der Téo etwas fragte, das deutlich weniger nach Frage klang, je länger er redete. Inez spürte, wie ihre Gedanken die gewohnten Haken schlugen: Optionen, Wege, Sackgassen. Nicht bewegen – das hatte sich jetzt ohnehin erledigt. Per Funk etwas erfinden? Eine schöne Lüge, aber nicht heute. Lyz’ Plan also, roh und mit all der Gewalt, die sie aufbringen konnten. Deckel auf, Gewicht nach vorn, den Mann dort treffen, wo es wehtat.

Sie legte die Stirn an Lyz’ Schläfe, so nah, dass sie wieder diesen Geruch nach Lavendel und Rauch wahrnahm. »Auf drei. Ich nach links, du nach rechts. Wenn du ihn siehst, geh auf die Hände. Ich halte ihn fest.« In der Kiste wurde es, so lächerlich das klingen mochte, noch enger. »Und wenn er schießen sollte …« Sie zögerte, bevor sie sich zwang zu antworten. »Mach dich klein.« Ein kleines Lachen, das sie sich selbst nicht glaubte. Lyz lachte zurück. »Ich war noch nie besonders groß, weißt du?«

Die beiden stemmten die Hände gegen die Decke der Kiste. Die Klinke des Deckels fühlte sich nicht mehr warm, sondern eiskalt an. Inez zählte leise.

Eins.

»Wenn du mir nicht bald mal sagst, was hier abgeht …!« Die Stimme des Mannes wieder.

Zwei.

Lyz presste den Atem durch die Zähne; ein unangenehmes Geräusch.

Drei. Alles oder nichts.

Mit einem Schlag flog der Deckel nach oben, erwischte sofort eine Wand, prallte zurück, schlug noch einmal auf – und schon waren sie draußen, auf den Knien, auf den Händen, die Kiste zwischen ihnen und dem Flur, Téo ein schmaler Schatten im zu großen Overall, der sich erschrocken halb zur Seite drehte, halb vorwärts stolperte. Der Mann stand dort, völlig verdutzt und mit weit aufgerissenen Augen. So wie er nach Luft schnappte, sah er aus wie ein Fisch, der aus einem Fluss gezogen wurde.

Muskulös, die Haare kurz geschoren, tätowiert – das Schlimmste war jedoch die Pistole, gut sichtbar in einem Halfter.

Verdammt. Darum mussten sie sich zuerst kümmern.

Inez hatte ihn sofort im Blick und verlor keine Zeit: ein kurzer Sprint, vorbei an dem erstarrten Téo; dann rammte sie mit aller Kraft, die sie hatte, zuerst seine Schulter. Beide fielen zeitgleich zu Boden, und sein Geruch stieg ihr in die Nase; er roch nach Kaffee und altem Leder, nach Hitze.

Sie spürte, wie der Schlag nicht sauber saß – zu weit links, um ihn ernsthaft zu verletzen –, aber er reichte, um ihn zu Boden zu reißen. Lyz war schon da, rutschte die letzten Meter auf ihn zu, hob den Arm, packte das Handgelenk des Mannes mit beiden Händen und drehte es brutal herum, sodass der Mann ein lautes Zischen von sich gab und nach ihr trat – doch es klappte: Noch konnte er nicht nach der Waffe greifen.

Erstaunlicherweise rief er nicht nach Hilfe – vermutlich ging er davon aus, dass er schon mit den drei Halbwüchsigen fertig werden würde. Dann schließlich konnte Lyz nach der Waffe greifen und lockerte ihren Griff am Handgelenk des Mannes – und diese Chance nutzte er sofort. Er warf sich nach vorn und stieß Inez mit der Schulter gegen den Hals, was sie keuchend zurückweichen ließ.

Die Pistole, die Lyz nun endgültig aus seinem Halfter gezogen hatte, fiel zu Boden – ein stumpfer Klang, Metall auf Linoleum. Sie schlug gegen die Wand, glitt, fiel, blieb in einem Nest aus Kabeln liegen, die von einem offenen Schrank hingen wie Gedärme.

»Téo!«, rief Inez, und er war da, ohne zu wissen, was seine Hände konnten, aber mit dem Willen, sie zu benutzen: Er fing den Arm des Mannes ein, presste die Ellenbeuge nach hinten, wo er die Gelenke erwischen wollte, und für einen Moment sah es so aus, als hätten sie ihn, als wäre das alles eine hübsche, waghalsige Anekdote, die sie später in der Werkstatt erzählen würden, während La Golgotha auf einem Schreibtisch thronte und ihnen gebannt lauschte.

Doch dies war keine hübsche Anekdote.

Der Wachmann hatte ihnen etwas Entscheidendes voraus: Dienst, Routine, Reflex. Er tat das, was Soldaten tun, die gelernt haben, dass im Zweifelsfall das Tier in ihnen übernimmt. Er ging nach unten, nicht nach oben, ließ sich nicht aus dem Gleichgewicht zerren, sondern nahm es mit, drehte den Körper so, dass Téo ins Leere griff, und zog mit der freien Hand etwas von der Seite seines Gürtels, das zu klein für eine zweite Waffe schien.
Es klickte, zweimal, mehr nicht.

Ein ohrenbetäubender Knall.

Ein kurzer Hieb – und schon lag Lyz kreischend auf dem Boden und hielt sich das Bein, aus dem das rote Blut floss.

Die Welt schien anzuhalten.

Die zweite Bewegung des Wachmanns war reiner Drill. Er stieß die Schulter vor, die sie getroffen hatte, schob den Schmerz zur Seite, trat halb zurück, halb vor – genau in jenen Winkel, in dem seine drei Gegner sich gegenseitig behinderten. Sein Blick glitt an ihnen vorbei in den Flur, und irgendwo begannen sich Stiefel in Bewegung zu setzen und nach dem Grund für den lauten Knall zu fragen.

»Zurück!«, zischte Inez, und sie wusste, wie sinnlos das klang. Sie beugte sich über Lyz, deren Gesicht bleich war und deren Hände zitterten. Längst hatten sie den Wachmann vergessen.

»Ich bin okay«, log Lyz. Natürlich. Sie wollte ihr keine Angst machen, während das Leben vor ihr auf den Boden floss. Dann hörte sie ein weiteres Geräusch und drehte sich um.

Téo hatte sich am Wachmann vorbeigekämpft. Er sprang auf die Waffe im Kabelnest zu, stieß sie mit der Schuhspitze, als wolle er sie ins Nichts befördern, und in derselben Sekunde sah Inez, wie der Wachmann sich auch zu ihm umdrehte – doch sie konnte nur tatenlos zusehen. Er klappte das Handgelenk frei, riss an der kleinen Dose an seinem Gürtel, und die Luft wurde scharf. Reizgas – nicht viel, nur genug, um Téos verzweifelten Plan im Keim zu ersticken.

»Téo!«, schrie Inez.

Er taumelte, stieß an die Kiste, die mit einem beleidigten Quietschen antwortete, und schlug dann gegen den immer noch offenen Deckel, bevor er schließlich mit einem gutturalen Schrei zu Boden stürzte. Lyz keuchte, presste die Hand gegen ihren Oberschenkel.

Die Stiefel wurden lauter. Drei, vielleicht vier, vielleicht fünf – was spielte es jetzt für eine Rolle? Inez suchte mit der flachen Hand über den Boden, fand das Funkgerät, das sich unter die Kante der Kiste gerettet hatte, und drückte blind den Knopf, in der Hoffnung, irgendwo Hilfe holen zu können.

Nichts.

Dann wurde die Tür zum Flur aufgestoßen und Stiefel stürmten den Raum. Sie trugen dieselben schwarzen Uniformen und goldene Schädelringe an den Fingern. In ihen Augen lag kein Mitleid.

»Hände!«

Inez hob sie langsam und sah im Augenwinkel, wie Lyz dasselbe tat – wankend – und Inez konnte nur mit Tränen in den Augen zusehen, wie ihre Geschichte hier ihr Ende nahm. Téo blinzelte und stand noch immer im zu großen Overall da, als wäre er ein Junge, dem man die Uniform gegeben hatte, bevor man ihm erklärt hatte, wofür sie ist.

Jemand kniete neben Lyz, prüfte die Wunde und nickte knapp. »Die Schutzgarden sollen sich um die hier kümmern«, sagte er nur. Lyz biss die Zähne zusammen, und Inez, die ihr Gesicht kannte wie ihr eigenes, sah dort nichts als Trotz.

Die Handschellen fühlten sich kalt und schmerzhaft an. Sie führten sie durch den Flur, vorbei am Sanctum, in dem die Leute bereits neugierig schauten, hinaus auf die Straße, auf der die Schutzgarden warteten. Inez sah panisch hin und her, versuchte ihre Freunde zu erblicken, die in verschiedene Wagen gesteckt wurden, doch verlor sie sie schnell aus dem Blick.

Es war das letzte Mal, dass sie sie sehen sollte.







Inez dachte einen Moment nach – und schaute schließlich zu Lyz. Es nützte nichts: Téo war auf sich allein gestellt, der Mann am anderen Ende der Leitung war sicherlich drauf und dran, ihn mitzunehmen und sie in diesem goldenen Sarg sitzen zu lassen. Das Einzige, was sie jetzt tun konnten, war, die Initiative zu ergreifen und ihre Überzahl zu nutzen.

Die Welt verengte sich auf Blech und Atem, auf das dumpfe Pochen ihres eigenen Blutes, das in der Kiste wie gegen einen Helm trommelte. Sie tastete im Dunkel nach Lyz’ Hand, fand sie schließlich, und in dieser Berührung lag eine vergleichsweise simple Frage, die sie nicht aussprechen konnte: Bist du bei mir, wenn wir jetzt eventuell etwas sehr Dummes tun?

In ihrem Händedruck lag alles, was sie wissen musste. Sie grinste; das hörte sie. »Nez, wir können hier verfaulen oder wir können ein wenig frische Luft atmen und uns die Beine vertreten … oder jemanden treten. Ist mir beides recht.«

Draußen knirschte etwas, das durch ihr Funkgerät drang: ein Absatz auf Linoleum, eine Stimme – der Mann, der Téo etwas fragte, das deutlich weniger nach Frage klang, je länger er redete. Inez spürte, wie ihre Gedanken die gewohnten Haken schlugen: Optionen, Wege, Sackgassen. Nicht bewegen – das hatte sich jetzt ohnehin erledigt. Per Funk etwas erfinden? Eine schöne Lüge, aber nicht heute. Lyz’ Plan also, roh und mit all der Gewalt, die sie aufbringen konnten. Deckel auf, Gewicht nach vorn, den Mann dort treffen, wo es wehtat.

Sie legte die Stirn an Lyz’ Schläfe, so nah, dass sie wieder diesen Geruch nach Lavendel und Rauch wahrnahm. »Auf drei. Ich nach links, du nach rechts. Wenn du ihn siehst, geh auf die Hände. Ich halte ihn fest.« In der Kiste wurde es, so lächerlich das klingen mochte, noch enger. »Und wenn er schießen sollte …« Sie zögerte, bevor sie sich zwang zu antworten. »Mach dich klein.« Ein kleines Lachen, das sie sich selbst nicht glaubte. Lyz lachte zurück. »Ich war noch nie besonders groß, weißt du?«

Die beiden stemmten die Hände gegen die Decke der Kiste. Die Klinke des Deckels fühlte sich nicht mehr warm, sondern eiskalt an. Inez zählte leise.

Eins.

»Wenn du mir nicht bald mal sagst, was hier abgeht …!« Die Stimme des Mannes wieder.

Zwei.

Lyz presste den Atem durch die Zähne; ein unangenehmes Geräusch.

Drei. Alles oder nichts.

Mit einem Schlag flog der Deckel nach oben, erwischte sofort eine Wand, prallte zurück, schlug noch einmal auf – und schon waren sie draußen, auf den Knien, auf den Händen, die Kiste zwischen ihnen und dem Flur, Téo ein schmaler Schatten im zu großen Overall, der sich erschrocken halb zur Seite drehte, halb vorwärts stolperte. Der Mann stand dort, völlig verdutzt und mit weit aufgerissenen Augen. So wie er nach Luft schnappte, sah er aus wie ein Fisch, der aus einem Fluss gezogen wurde.

Muskulös, die Haare kurz geschoren, tätowiert – das Schlimmste war jedoch die Pistole, gut sichtbar in einem Halfter.

Verdammt. Darum mussten sie sich zuerst kümmern.

Inez hatte ihn sofort im Blick und verlor keine Zeit: ein kurzer Sprint, vorbei an dem erstarrten Téo; dann rammte sie mit aller Kraft, die sie hatte, zuerst seine Schulter. Beide fielen zeitgleich zu Boden, und sein Geruch stieg ihr in die Nase; er roch nach Kaffee und altem Leder, nach Hitze.

Sie spürte, wie der Schlag nicht sauber saß – zu weit links, um ihn ernsthaft zu verletzen –, aber er reichte, um ihn zu Boden zu reißen. Lyz war schon da, rutschte die letzten Meter auf ihn zu, hob den Arm, packte das Handgelenk des Mannes mit beiden Händen und drehte es brutal herum, sodass der Mann ein lautes Zischen von sich gab und nach ihr trat – doch es klappte: Noch konnte er nicht nach der Waffe greifen.

Erstaunlicherweise rief er nicht nach Hilfe – vermutlich ging er davon aus, dass er schon mit den drei Halbwüchsigen fertig werden würde. Dann schließlich konnte Lyz nach der Waffe greifen und lockerte ihren Griff am Handgelenk des Mannes – und diese Chance nutzte er sofort. Er warf sich nach vorn und stieß Inez mit der Schulter gegen den Hals, was sie keuchend zurückweichen ließ.

Die Pistole, die Lyz nun endgültig aus seinem Halfter gezogen hatte, fiel zu Boden – ein stumpfer Klang, Metall auf Linoleum. Sie schlug gegen die Wand, glitt, fiel, blieb in einem Nest aus Kabeln liegen, die von einem offenen Schrank hingen wie Gedärme.

»Téo!«, rief Inez, und er war da, ohne zu wissen, was seine Hände konnten, aber mit dem Willen, sie zu benutzen: Er fing den Arm des Mannes ein, presste die Ellenbeuge nach hinten, wo er die Gelenke erwischen wollte, und für einen Moment sah es so aus, als hätten sie ihn, als wäre das alles eine hübsche, waghalsige Anekdote, die sie später in der Werkstatt erzählen würden, während La Golgotha auf einem Schreibtisch thronte und ihnen gebannt lauschte.

Doch dies war keine hübsche Anekdote.

Der Wachmann hatte ihnen etwas Entscheidendes voraus: Dienst, Routine, Reflex. Er tat das, was Soldaten tun, die gelernt haben, dass im Zweifelsfall das Tier in ihnen übernimmt. Er ging nach unten, nicht nach oben, ließ sich nicht aus dem Gleichgewicht zerren, sondern nahm es mit, drehte den Körper so, dass Téo ins Leere griff, und zog mit der freien Hand etwas von der Seite seines Gürtels, das zu klein für eine zweite Waffe schien.
Es klickte, zweimal, mehr nicht.

Ein ohrenbetäubender Knall.

Ein kurzer Hieb – und schon lag Lyz kreischend auf dem Boden und hielt sich das Bein, aus dem das rote Blut floss.

Die Welt schien anzuhalten.

Die zweite Bewegung des Wachmanns war reiner Drill. Er stieß die Schulter vor, die sie getroffen hatte, schob den Schmerz zur Seite, trat halb zurück, halb vor – genau in jenen Winkel, in dem seine drei Gegner sich gegenseitig behinderten. Sein Blick glitt an ihnen vorbei in den Flur, und irgendwo begannen sich Stiefel in Bewegung zu setzen und nach dem Grund für den lauten Knall zu fragen.

»Zurück!«, zischte Inez, und sie wusste, wie sinnlos das klang. Sie beugte sich über Lyz, deren Gesicht bleich war und deren Hände zitterten. Längst hatten sie den Wachmann vergessen.

»Ich bin okay«, log Lyz. Natürlich. Sie wollte ihr keine Angst machen, während das Leben vor ihr auf den Boden floss. Dann hörte sie ein weiteres Geräusch und drehte sich um.

Téo hatte sich am Wachmann vorbeigekämpft. Er sprang auf die Waffe im Kabelnest zu, stieß sie mit der Schuhspitze, als wolle er sie ins Nichts befördern, und in derselben Sekunde sah Inez, wie der Wachmann sich auch zu ihm umdrehte – doch sie konnte nur tatenlos zusehen. Er klappte das Handgelenk frei, riss an der kleinen Dose an seinem Gürtel, und die Luft wurde scharf. Reizgas – nicht viel, nur genug, um Téos verzweifelten Plan im Keim zu ersticken.

»Téo!«, schrie Inez.

Er taumelte, stieß an die Kiste, die mit einem beleidigten Quietschen antwortete, und schlug dann gegen den immer noch offenen Deckel, bevor er schließlich mit einem gutturalen Schrei zu Boden stürzte. Lyz keuchte, presste die Hand gegen ihren Oberschenkel.

Die Stiefel wurden lauter. Drei, vielleicht vier, vielleicht fünf – was spielte es jetzt für eine Rolle? Inez suchte mit der flachen Hand über den Boden, fand das Funkgerät, das sich unter die Kante der Kiste gerettet hatte, und drückte blind den Knopf, in der Hoffnung, irgendwo Hilfe holen zu können.

Nichts.

Dann wurde die Tür zum Flur aufgestoßen und Stiefel stürmten den Raum. Sie trugen dieselben schwarzen Uniformen und goldene Schädelringe an den Fingern. In ihen Augen lag kein Mitleid.

»Hände!«

Inez hob sie langsam und sah im Augenwinkel, wie Lyz dasselbe tat – wankend – und Inez konnte nur mit Tränen in den Augen zusehen, wie ihre Geschichte hier ihr Ende nahm. Téo blinzelte und stand noch immer im zu großen Overall da, als wäre er ein Junge, dem man die Uniform gegeben hatte, bevor man ihm erklärt hatte, wofür sie ist.

Jemand kniete neben Lyz, prüfte die Wunde und nickte knapp. »Die Schutzgarden sollen sich um die hier kümmern«, sagte er nur. Lyz biss die Zähne zusammen, und Inez, die ihr Gesicht kannte wie ihr eigenes, sah dort nichts als Trotz.

Die Handschellen fühlten sich kalt und schmerzhaft an. Sie führten sie durch den Flur, vorbei am Sanctum, in dem die Leute bereits neugierig schauten, hinaus auf die Straße, auf der die Schutzgarden warteten. Inez sah panisch hin und her, versuchte ihre Freunde zu erblicken, die in verschiedene Wagen gesteckt wurden, doch verlor sie sie schnell aus dem Blick.

Es war das letzte Mal, dass sie sie sehen sollte.







Inez dachte einen Moment nach – und schaute schließlich zu Lyz. Es nützte nichts: Téo war auf sich allein gestellt, der Mann am anderen Ende der Leitung war sicherlich drauf und dran, ihn mitzunehmen und sie in diesem goldenen Sarg sitzen zu lassen. Das Einzige, was sie jetzt tun konnten, war, die Initiative zu ergreifen und ihre Überzahl zu nutzen.

Die Welt verengte sich auf Blech und Atem, auf das dumpfe Pochen ihres eigenen Blutes, das in der Kiste wie gegen einen Helm trommelte. Sie tastete im Dunkel nach Lyz’ Hand, fand sie schließlich, und in dieser Berührung lag eine vergleichsweise simple Frage, die sie nicht aussprechen konnte: Bist du bei mir, wenn wir jetzt eventuell etwas sehr Dummes tun?

In ihrem Händedruck lag alles, was sie wissen musste. Sie grinste; das hörte sie. »Nez, wir können hier verfaulen oder wir können ein wenig frische Luft atmen und uns die Beine vertreten … oder jemanden treten. Ist mir beides recht.«

Draußen knirschte etwas, das durch ihr Funkgerät drang: ein Absatz auf Linoleum, eine Stimme – der Mann, der Téo etwas fragte, das deutlich weniger nach Frage klang, je länger er redete. Inez spürte, wie ihre Gedanken die gewohnten Haken schlugen: Optionen, Wege, Sackgassen. Nicht bewegen – das hatte sich jetzt ohnehin erledigt. Per Funk etwas erfinden? Eine schöne Lüge, aber nicht heute. Lyz’ Plan also, roh und mit all der Gewalt, die sie aufbringen konnten. Deckel auf, Gewicht nach vorn, den Mann dort treffen, wo es wehtat.

Sie legte die Stirn an Lyz’ Schläfe, so nah, dass sie wieder diesen Geruch nach Lavendel und Rauch wahrnahm. »Auf drei. Ich nach links, du nach rechts. Wenn du ihn siehst, geh auf die Hände. Ich halte ihn fest.« In der Kiste wurde es, so lächerlich das klingen mochte, noch enger. »Und wenn er schießen sollte …« Sie zögerte, bevor sie sich zwang zu antworten. »Mach dich klein.« Ein kleines Lachen, das sie sich selbst nicht glaubte. Lyz lachte zurück. »Ich war noch nie besonders groß, weißt du?«

Die beiden stemmten die Hände gegen die Decke der Kiste. Die Klinke des Deckels fühlte sich nicht mehr warm, sondern eiskalt an. Inez zählte leise.

Eins.

»Wenn du mir nicht bald mal sagst, was hier abgeht …!« Die Stimme des Mannes wieder.

Zwei.

Lyz presste den Atem durch die Zähne; ein unangenehmes Geräusch.

Drei. Alles oder nichts.

Mit einem Schlag flog der Deckel nach oben, erwischte sofort eine Wand, prallte zurück, schlug noch einmal auf – und schon waren sie draußen, auf den Knien, auf den Händen, die Kiste zwischen ihnen und dem Flur, Téo ein schmaler Schatten im zu großen Overall, der sich erschrocken halb zur Seite drehte, halb vorwärts stolperte. Der Mann stand dort, völlig verdutzt und mit weit aufgerissenen Augen. So wie er nach Luft schnappte, sah er aus wie ein Fisch, der aus einem Fluss gezogen wurde.

Muskulös, die Haare kurz geschoren, tätowiert – das Schlimmste war jedoch die Pistole, gut sichtbar in einem Halfter.

Verdammt. Darum mussten sie sich zuerst kümmern.

Inez hatte ihn sofort im Blick und verlor keine Zeit: ein kurzer Sprint, vorbei an dem erstarrten Téo; dann rammte sie mit aller Kraft, die sie hatte, zuerst seine Schulter. Beide fielen zeitgleich zu Boden, und sein Geruch stieg ihr in die Nase; er roch nach Kaffee und altem Leder, nach Hitze.

Sie spürte, wie der Schlag nicht sauber saß – zu weit links, um ihn ernsthaft zu verletzen –, aber er reichte, um ihn zu Boden zu reißen. Lyz war schon da, rutschte die letzten Meter auf ihn zu, hob den Arm, packte das Handgelenk des Mannes mit beiden Händen und drehte es brutal herum, sodass der Mann ein lautes Zischen von sich gab und nach ihr trat – doch es klappte: Noch konnte er nicht nach der Waffe greifen.

Erstaunlicherweise rief er nicht nach Hilfe – vermutlich ging er davon aus, dass er schon mit den drei Halbwüchsigen fertig werden würde. Dann schließlich konnte Lyz nach der Waffe greifen und lockerte ihren Griff am Handgelenk des Mannes – und diese Chance nutzte er sofort. Er warf sich nach vorn und stieß Inez mit der Schulter gegen den Hals, was sie keuchend zurückweichen ließ.

Die Pistole, die Lyz nun endgültig aus seinem Halfter gezogen hatte, fiel zu Boden – ein stumpfer Klang, Metall auf Linoleum. Sie schlug gegen die Wand, glitt, fiel, blieb in einem Nest aus Kabeln liegen, die von einem offenen Schrank hingen wie Gedärme.

»Téo!«, rief Inez, und er war da, ohne zu wissen, was seine Hände konnten, aber mit dem Willen, sie zu benutzen: Er fing den Arm des Mannes ein, presste die Ellenbeuge nach hinten, wo er die Gelenke erwischen wollte, und für einen Moment sah es so aus, als hätten sie ihn, als wäre das alles eine hübsche, waghalsige Anekdote, die sie später in der Werkstatt erzählen würden, während La Golgotha auf einem Schreibtisch thronte und ihnen gebannt lauschte.

Doch dies war keine hübsche Anekdote.

Der Wachmann hatte ihnen etwas Entscheidendes voraus: Dienst, Routine, Reflex. Er tat das, was Soldaten tun, die gelernt haben, dass im Zweifelsfall das Tier in ihnen übernimmt. Er ging nach unten, nicht nach oben, ließ sich nicht aus dem Gleichgewicht zerren, sondern nahm es mit, drehte den Körper so, dass Téo ins Leere griff, und zog mit der freien Hand etwas von der Seite seines Gürtels, das zu klein für eine zweite Waffe schien.
Es klickte, zweimal, mehr nicht.

Ein ohrenbetäubender Knall.

Ein kurzer Hieb – und schon lag Lyz kreischend auf dem Boden und hielt sich das Bein, aus dem das rote Blut floss.

Die Welt schien anzuhalten.

Die zweite Bewegung des Wachmanns war reiner Drill. Er stieß die Schulter vor, die sie getroffen hatte, schob den Schmerz zur Seite, trat halb zurück, halb vor – genau in jenen Winkel, in dem seine drei Gegner sich gegenseitig behinderten. Sein Blick glitt an ihnen vorbei in den Flur, und irgendwo begannen sich Stiefel in Bewegung zu setzen und nach dem Grund für den lauten Knall zu fragen.

»Zurück!«, zischte Inez, und sie wusste, wie sinnlos das klang. Sie beugte sich über Lyz, deren Gesicht bleich war und deren Hände zitterten. Längst hatten sie den Wachmann vergessen.

»Ich bin okay«, log Lyz. Natürlich. Sie wollte ihr keine Angst machen, während das Leben vor ihr auf den Boden floss. Dann hörte sie ein weiteres Geräusch und drehte sich um.

Téo hatte sich am Wachmann vorbeigekämpft. Er sprang auf die Waffe im Kabelnest zu, stieß sie mit der Schuhspitze, als wolle er sie ins Nichts befördern, und in derselben Sekunde sah Inez, wie der Wachmann sich auch zu ihm umdrehte – doch sie konnte nur tatenlos zusehen. Er klappte das Handgelenk frei, riss an der kleinen Dose an seinem Gürtel, und die Luft wurde scharf. Reizgas – nicht viel, nur genug, um Téos verzweifelten Plan im Keim zu ersticken.

»Téo!«, schrie Inez.

Er taumelte, stieß an die Kiste, die mit einem beleidigten Quietschen antwortete, und schlug dann gegen den immer noch offenen Deckel, bevor er schließlich mit einem gutturalen Schrei zu Boden stürzte. Lyz keuchte, presste die Hand gegen ihren Oberschenkel.

Die Stiefel wurden lauter. Drei, vielleicht vier, vielleicht fünf – was spielte es jetzt für eine Rolle? Inez suchte mit der flachen Hand über den Boden, fand das Funkgerät, das sich unter die Kante der Kiste gerettet hatte, und drückte blind den Knopf, in der Hoffnung, irgendwo Hilfe holen zu können.

Nichts.

Dann wurde die Tür zum Flur aufgestoßen und Stiefel stürmten den Raum. Sie trugen dieselben schwarzen Uniformen und goldene Schädelringe an den Fingern. In ihen Augen lag kein Mitleid.

»Hände!«

Inez hob sie langsam und sah im Augenwinkel, wie Lyz dasselbe tat – wankend – und Inez konnte nur mit Tränen in den Augen zusehen, wie ihre Geschichte hier ihr Ende nahm. Téo blinzelte und stand noch immer im zu großen Overall da, als wäre er ein Junge, dem man die Uniform gegeben hatte, bevor man ihm erklärt hatte, wofür sie ist.

Jemand kniete neben Lyz, prüfte die Wunde und nickte knapp. »Die Schutzgarden sollen sich um die hier kümmern«, sagte er nur. Lyz biss die Zähne zusammen, und Inez, die ihr Gesicht kannte wie ihr eigenes, sah dort nichts als Trotz.

Die Handschellen fühlten sich kalt und schmerzhaft an. Sie führten sie durch den Flur, vorbei am Sanctum, in dem die Leute bereits neugierig schauten, hinaus auf die Straße, auf der die Schutzgarden warteten. Inez sah panisch hin und her, versuchte ihre Freunde zu erblicken, die in verschiedene Wagen gesteckt wurden, doch verlor sie sie schnell aus dem Blick.

Es war das letzte Mal, dass sie sie sehen sollte.







Inez dachte einen Moment nach – und schaute schließlich zu Lyz. Es nützte nichts: Téo war auf sich allein gestellt, der Mann am anderen Ende der Leitung war sicherlich drauf und dran, ihn mitzunehmen und sie in diesem goldenen Sarg sitzen zu lassen. Das Einzige, was sie jetzt tun konnten, war, die Initiative zu ergreifen und ihre Überzahl zu nutzen.

Die Welt verengte sich auf Blech und Atem, auf das dumpfe Pochen ihres eigenen Blutes, das in der Kiste wie gegen einen Helm trommelte. Sie tastete im Dunkel nach Lyz’ Hand, fand sie schließlich, und in dieser Berührung lag eine vergleichsweise simple Frage, die sie nicht aussprechen konnte: Bist du bei mir, wenn wir jetzt eventuell etwas sehr Dummes tun?

In ihrem Händedruck lag alles, was sie wissen musste. Sie grinste; das hörte sie. »Nez, wir können hier verfaulen oder wir können ein wenig frische Luft atmen und uns die Beine vertreten … oder jemanden treten. Ist mir beides recht.«

Draußen knirschte etwas, das durch ihr Funkgerät drang: ein Absatz auf Linoleum, eine Stimme – der Mann, der Téo etwas fragte, das deutlich weniger nach Frage klang, je länger er redete. Inez spürte, wie ihre Gedanken die gewohnten Haken schlugen: Optionen, Wege, Sackgassen. Nicht bewegen – das hatte sich jetzt ohnehin erledigt. Per Funk etwas erfinden? Eine schöne Lüge, aber nicht heute. Lyz’ Plan also, roh und mit all der Gewalt, die sie aufbringen konnten. Deckel auf, Gewicht nach vorn, den Mann dort treffen, wo es wehtat.

Sie legte die Stirn an Lyz’ Schläfe, so nah, dass sie wieder diesen Geruch nach Lavendel und Rauch wahrnahm. »Auf drei. Ich nach links, du nach rechts. Wenn du ihn siehst, geh auf die Hände. Ich halte ihn fest.« In der Kiste wurde es, so lächerlich das klingen mochte, noch enger. »Und wenn er schießen sollte …« Sie zögerte, bevor sie sich zwang zu antworten. »Mach dich klein.« Ein kleines Lachen, das sie sich selbst nicht glaubte. Lyz lachte zurück. »Ich war noch nie besonders groß, weißt du?«

Die beiden stemmten die Hände gegen die Decke der Kiste. Die Klinke des Deckels fühlte sich nicht mehr warm, sondern eiskalt an. Inez zählte leise.

Eins.

»Wenn du mir nicht bald mal sagst, was hier abgeht …!« Die Stimme des Mannes wieder.

Zwei.

Lyz presste den Atem durch die Zähne; ein unangenehmes Geräusch.

Drei. Alles oder nichts.

Mit einem Schlag flog der Deckel nach oben, erwischte sofort eine Wand, prallte zurück, schlug noch einmal auf – und schon waren sie draußen, auf den Knien, auf den Händen, die Kiste zwischen ihnen und dem Flur, Téo ein schmaler Schatten im zu großen Overall, der sich erschrocken halb zur Seite drehte, halb vorwärts stolperte. Der Mann stand dort, völlig verdutzt und mit weit aufgerissenen Augen. So wie er nach Luft schnappte, sah er aus wie ein Fisch, der aus einem Fluss gezogen wurde.

Muskulös, die Haare kurz geschoren, tätowiert – das Schlimmste war jedoch die Pistole, gut sichtbar in einem Halfter.

Verdammt. Darum mussten sie sich zuerst kümmern.

Inez hatte ihn sofort im Blick und verlor keine Zeit: ein kurzer Sprint, vorbei an dem erstarrten Téo; dann rammte sie mit aller Kraft, die sie hatte, zuerst seine Schulter. Beide fielen zeitgleich zu Boden, und sein Geruch stieg ihr in die Nase; er roch nach Kaffee und altem Leder, nach Hitze.

Sie spürte, wie der Schlag nicht sauber saß – zu weit links, um ihn ernsthaft zu verletzen –, aber er reichte, um ihn zu Boden zu reißen. Lyz war schon da, rutschte die letzten Meter auf ihn zu, hob den Arm, packte das Handgelenk des Mannes mit beiden Händen und drehte es brutal herum, sodass der Mann ein lautes Zischen von sich gab und nach ihr trat – doch es klappte: Noch konnte er nicht nach der Waffe greifen.

Erstaunlicherweise rief er nicht nach Hilfe – vermutlich ging er davon aus, dass er schon mit den drei Halbwüchsigen fertig werden würde. Dann schließlich konnte Lyz nach der Waffe greifen und lockerte ihren Griff am Handgelenk des Mannes – und diese Chance nutzte er sofort. Er warf sich nach vorn und stieß Inez mit der Schulter gegen den Hals, was sie keuchend zurückweichen ließ.

Die Pistole, die Lyz nun endgültig aus seinem Halfter gezogen hatte, fiel zu Boden – ein stumpfer Klang, Metall auf Linoleum. Sie schlug gegen die Wand, glitt, fiel, blieb in einem Nest aus Kabeln liegen, die von einem offenen Schrank hingen wie Gedärme.

»Téo!«, rief Inez, und er war da, ohne zu wissen, was seine Hände konnten, aber mit dem Willen, sie zu benutzen: Er fing den Arm des Mannes ein, presste die Ellenbeuge nach hinten, wo er die Gelenke erwischen wollte, und für einen Moment sah es so aus, als hätten sie ihn, als wäre das alles eine hübsche, waghalsige Anekdote, die sie später in der Werkstatt erzählen würden, während La Golgotha auf einem Schreibtisch thronte und ihnen gebannt lauschte.

Doch dies war keine hübsche Anekdote.

Der Wachmann hatte ihnen etwas Entscheidendes voraus: Dienst, Routine, Reflex. Er tat das, was Soldaten tun, die gelernt haben, dass im Zweifelsfall das Tier in ihnen übernimmt. Er ging nach unten, nicht nach oben, ließ sich nicht aus dem Gleichgewicht zerren, sondern nahm es mit, drehte den Körper so, dass Téo ins Leere griff, und zog mit der freien Hand etwas von der Seite seines Gürtels, das zu klein für eine zweite Waffe schien.
Es klickte, zweimal, mehr nicht.

Ein ohrenbetäubender Knall.

Ein kurzer Hieb – und schon lag Lyz kreischend auf dem Boden und hielt sich das Bein, aus dem das rote Blut floss.

Die Welt schien anzuhalten.

Die zweite Bewegung des Wachmanns war reiner Drill. Er stieß die Schulter vor, die sie getroffen hatte, schob den Schmerz zur Seite, trat halb zurück, halb vor – genau in jenen Winkel, in dem seine drei Gegner sich gegenseitig behinderten. Sein Blick glitt an ihnen vorbei in den Flur, und irgendwo begannen sich Stiefel in Bewegung zu setzen und nach dem Grund für den lauten Knall zu fragen.

»Zurück!«, zischte Inez, und sie wusste, wie sinnlos das klang. Sie beugte sich über Lyz, deren Gesicht bleich war und deren Hände zitterten. Längst hatten sie den Wachmann vergessen.

»Ich bin okay«, log Lyz. Natürlich. Sie wollte ihr keine Angst machen, während das Leben vor ihr auf den Boden floss. Dann hörte sie ein weiteres Geräusch und drehte sich um.

Téo hatte sich am Wachmann vorbeigekämpft. Er sprang auf die Waffe im Kabelnest zu, stieß sie mit der Schuhspitze, als wolle er sie ins Nichts befördern, und in derselben Sekunde sah Inez, wie der Wachmann sich auch zu ihm umdrehte – doch sie konnte nur tatenlos zusehen. Er klappte das Handgelenk frei, riss an der kleinen Dose an seinem Gürtel, und die Luft wurde scharf. Reizgas – nicht viel, nur genug, um Téos verzweifelten Plan im Keim zu ersticken.

»Téo!«, schrie Inez.

Er taumelte, stieß an die Kiste, die mit einem beleidigten Quietschen antwortete, und schlug dann gegen den immer noch offenen Deckel, bevor er schließlich mit einem gutturalen Schrei zu Boden stürzte. Lyz keuchte, presste die Hand gegen ihren Oberschenkel.

Die Stiefel wurden lauter. Drei, vielleicht vier, vielleicht fünf – was spielte es jetzt für eine Rolle? Inez suchte mit der flachen Hand über den Boden, fand das Funkgerät, das sich unter die Kante der Kiste gerettet hatte, und drückte blind den Knopf, in der Hoffnung, irgendwo Hilfe holen zu können.

Nichts.

Dann wurde die Tür zum Flur aufgestoßen und Stiefel stürmten den Raum. Sie trugen dieselben schwarzen Uniformen und goldene Schädelringe an den Fingern. In ihen Augen lag kein Mitleid.

»Hände!«

Inez hob sie langsam und sah im Augenwinkel, wie Lyz dasselbe tat – wankend – und Inez konnte nur mit Tränen in den Augen zusehen, wie ihre Geschichte hier ihr Ende nahm. Téo blinzelte und stand noch immer im zu großen Overall da, als wäre er ein Junge, dem man die Uniform gegeben hatte, bevor man ihm erklärt hatte, wofür sie ist.

Jemand kniete neben Lyz, prüfte die Wunde und nickte knapp. »Die Schutzgarden sollen sich um die hier kümmern«, sagte er nur. Lyz biss die Zähne zusammen, und Inez, die ihr Gesicht kannte wie ihr eigenes, sah dort nichts als Trotz.

Die Handschellen fühlten sich kalt und schmerzhaft an. Sie führten sie durch den Flur, vorbei am Sanctum, in dem die Leute bereits neugierig schauten, hinaus auf die Straße, auf der die Schutzgarden warteten. Inez sah panisch hin und her, versuchte ihre Freunde zu erblicken, die in verschiedene Wagen gesteckt wurden, doch verlor sie sie schnell aus dem Blick.

Es war das letzte Mal, dass sie sie sehen sollte.






Inez dachte einen Moment nach – und schaute schließlich zu Lyz. Es nützte nichts: Téo war auf sich allein gestellt, der Mann am anderen Ende der Leitung war sicherlich drauf und dran, ihn mitzunehmen und sie in diesem goldenen Sarg sitzen zu lassen. Das Einzige, was sie jetzt tun konnten, war, die Initiative zu ergreifen und ihre Überzahl zu nutzen.

Die Welt verengte sich auf Blech und Atem, auf das dumpfe Pochen ihres eigenen Blutes, das in der Kiste wie gegen einen Helm trommelte. Sie tastete im Dunkel nach Lyz’ Hand, fand sie schließlich, und in dieser Berührung lag eine vergleichsweise simple Frage, die sie nicht aussprechen konnte: Bist du bei mir, wenn wir jetzt eventuell etwas sehr Dummes tun?

In ihrem Händedruck lag alles, was sie wissen musste. Sie grinste; das hörte sie. »Nez, wir können hier verfaulen oder wir können ein wenig frische Luft atmen und uns die Beine vertreten … oder jemanden treten. Ist mir beides recht.«

Draußen knirschte etwas, das durch ihr Funkgerät drang: ein Absatz auf Linoleum, eine Stimme – der Mann, der Téo etwas fragte, das deutlich weniger nach Frage klang, je länger er redete. Inez spürte, wie ihre Gedanken die gewohnten Haken schlugen: Optionen, Wege, Sackgassen. Nicht bewegen – das hatte sich jetzt ohnehin erledigt. Per Funk etwas erfinden? Eine schöne Lüge, aber nicht heute. Lyz’ Plan also, roh und mit all der Gewalt, die sie aufbringen konnten. Deckel auf, Gewicht nach vorn, den Mann dort treffen, wo es wehtat.

Sie legte die Stirn an Lyz’ Schläfe, so nah, dass sie wieder diesen Geruch nach Lavendel und Rauch wahrnahm. »Auf drei. Ich nach links, du nach rechts. Wenn du ihn siehst, geh auf die Hände. Ich halte ihn fest.« In der Kiste wurde es, so lächerlich das klingen mochte, noch enger. »Und wenn er schießen sollte …«

Sie zögerte, bevor sie sich zwang zu antworten. »Mach dich klein.« Ein kleines Lachen, das sie sich selbst nicht glaubte. Lyz lachte zurück. »Ich war noch nie besonders groß, weißt du?«

Die beiden stemmten die Hände gegen die Decke der Kiste. Die Klinke des Deckels fühlte sich nicht mehr warm, sondern eiskalt an. Inez zählte leise.

Eins.

»Wenn du mir nicht bald mal sagst, was hier abgeht …!« Die Stimme des Mannes wieder.

Zwei.

Lyz presste den Atem durch die Zähne; ein unangenehmes Geräusch.

Drei. Alles oder nichts.

Mit einem Schlag flog der Deckel nach oben, erwischte sofort eine Wand, prallte zurück, schlug noch einmal auf – und schon waren sie draußen, auf den Knien, auf den Händen, die Kiste zwischen ihnen und dem Flur, Téo ein schmaler Schatten im zu großen Overall, der sich erschrocken halb zur Seite drehte, halb vorwärts stolperte. Der Mann stand dort, völlig verdutzt und mit weit aufgerissenen Augen. So wie er nach Luft schnappte, sah er aus wie ein Fisch, der aus einem Fluss gezogen wurde.

Muskulös, die Haare kurz geschoren, tätowiert – das Schlimmste war jedoch die Pistole, gut sichtbar in einem Halfter.

Verdammt. Darum mussten sie sich zuerst kümmern.

Inez hatte ihn sofort im Blick und verlor keine Zeit: ein kurzer Sprint, vorbei an dem erstarrten Téo; dann rammte sie mit aller Kraft, die sie hatte, zuerst seine Schulter. Beide fielen zeitgleich zu Boden, und sein Geruch stieg ihr in die Nase; er roch nach Kaffee und altem Leder, nach Hitze.

Sie spürte, wie der Schlag nicht sauber saß – zu weit links, um ihn ernsthaft zu verletzen –, aber er reichte, um ihn zu Boden zu reißen. Lyz war schon da, rutschte die letzten Meter auf ihn zu, hob den Arm, packte das Handgelenk des Mannes mit beiden Händen und drehte es brutal herum, sodass der Mann ein lautes Zischen von sich gab und nach ihr trat – doch es klappte: Noch konnte er nicht nach der Waffe greifen.

Erstaunlicherweise rief er nicht nach Hilfe – vermutlich ging er davon aus, dass er schon mit den drei Halbwüchsigen fertig werden würde. Dann schließlich konnte Lyz nach der Waffe greifen und lockerte ihren Griff am Handgelenk des Mannes – und diese Chance nutzte er sofort. Er warf sich nach vorn und stieß Inez mit der Schulter gegen den Hals, was sie keuchend zurückweichen ließ.

Die Pistole, die Lyz nun endgültig aus seinem Halfter gezogen hatte, fiel zu Boden – ein stumpfer Klang, Metall auf Linoleum. Sie schlug gegen die Wand, glitt, fiel, blieb in einem Nest aus Kabeln liegen, die von einem offenen Schrank hingen wie Gedärme.

»Téo!«, rief Inez, und er war da, ohne zu wissen, was seine Hände konnten, aber mit dem Willen, sie zu benutzen: Er fing den Arm des Mannes ein, presste die Ellenbeuge nach hinten, wo er die Gelenke erwischen wollte, und für einen Moment sah es so aus, als hätten sie ihn, als wäre das alles eine hübsche, waghalsige Anekdote, die sie später in der Werkstatt erzählen würden, während La Golgotha auf einem Schreibtisch thronte und ihnen gebannt lauschte.

Doch dies war keine hübsche Anekdote.

Der Wachmann hatte ihnen etwas Entscheidendes voraus: Dienst, Routine, Reflex. Er tat das, was Soldaten tun, die gelernt haben, dass im Zweifelsfall das Tier in ihnen übernimmt. Er ging nach unten, nicht nach oben, ließ sich nicht aus dem Gleichgewicht zerren, sondern nahm es mit, drehte den Körper so, dass Téo ins Leere griff, und zog mit der freien Hand etwas von der Seite seines Gürtels, das zu klein für eine zweite Waffe schien.

Es klickte, zweimal, mehr nicht.

Ein ohrenbetäubender Knall.


Ein kurzer Hieb – und schon lag Lyz kreischend auf dem Boden und hielt sich das Bein, aus dem das rote Blut floss.

Die Welt schien anzuhalten.

Die zweite Bewegung des Wachmanns war reiner Drill. Er stieß die Schulter vor, die sie getroffen hatte, schob den Schmerz zur Seite, trat halb zurück, halb vor – genau in jenen Winkel, in dem seine drei Gegner sich gegenseitig behinderten. Sein Blick glitt an ihnen vorbei in den Flur, und irgendwo begannen sich Stiefel in Bewegung zu setzen und nach dem Grund für den lauten Knall zu fragen.

»Zurück!«, zischte Inez, und sie wusste, wie sinnlos das klang. Sie beugte sich über Lyz, deren Gesicht bleich war und deren Hände zitterten. Längst hatten sie den Wachmann vergessen.

»Ich bin okay«, log Lyz. Natürlich. Sie wollte ihr keine Angst machen, während das Leben vor ihr auf den Boden floss. Dann hörte sie ein weiteres Geräusch und drehte sich um.

Téo hatte sich am Wachmann vorbeigekämpft. Er sprang auf die Waffe im Kabelnest zu, stieß sie mit der Schuhspitze, als wolle er sie ins Nichts befördern, und in derselben Sekunde sah Inez, wie der Wachmann sich auch zu ihm umdrehte – doch sie konnte nur tatenlos zusehen. Er klappte das Handgelenk frei, riss an der kleinen Dose an seinem Gürtel, und die Luft wurde scharf. Reizgas – nicht viel, nur genug, um Téos verzweifelten Plan im Keim zu ersticken.

»Téo!«, schrie Inez.

Er taumelte, stieß an die Kiste, die mit einem beleidigten Quietschen antwortete, und schlug dann gegen den immer noch offenen Deckel, bevor er schließlich mit einem gutturalen Schrei zu Boden stürzte. Lyz keuchte, presste die Hand gegen ihren Oberschenkel.

Die Stiefel wurden lauter. Drei, vielleicht vier, vielleicht fünf – was spielte es jetzt für eine Rolle? Inez suchte mit der flachen Hand über den Boden, fand das Funkgerät, das sich unter die Kante der Kiste gerettet hatte, und drückte blind den Knopf, in der Hoffnung, irgendwo Hilfe holen zu können.

Nichts.

Dann wurde die Tür zum Flur aufgestoßen und Stiefel stürmten den Raum. Sie trugen dieselben schwarzen Uniformen und goldene Schädelringe an den Fingern. In ihen Augen lag kein Mitleid.

»Hände!«

Inez hob sie langsam und sah im Augenwinkel, wie Lyz dasselbe tat – wankend – und Inez konnte nur mit Tränen in den Augen zusehen, wie ihre Geschichte hier ihr Ende nahm. Téo blinzelte und stand noch immer im zu großen Overall da, als wäre er ein Junge, dem man die Uniform gegeben hatte, bevor man ihm erklärt hatte, wofür sie ist.

Jemand kniete neben Lyz, prüfte die Wunde und nickte knapp. »Die Schutzgarden sollen sich um die hier kümmern«, sagte er nur. Lyz biss die Zähne zusammen, und Inez, die ihr Gesicht kannte wie ihr eigenes, sah dort nichts als Trotz.

Die Handschellen fühlten sich kalt und schmerzhaft an. Sie führten sie durch den Flur, vorbei am Sanctum, in dem die Leute bereits neugierig schauten, hinaus auf die Straße, auf der die Schutzgarden warteten. Inez sah panisch hin und her, versuchte ihre Freunde zu erblicken, die in verschiedene Wagen gesteckt wurden, doch verlor sie sie schnell aus dem Blick.

Es war das letzte Mal, dass sie sie sehen sollte.







Inez dachte einen Moment nach – und schaute schließlich zu Lyz. Es nützte nichts: Téo war auf sich allein gestellt, der Mann am anderen Ende der Leitung war sicherlich drauf und dran, ihn mitzunehmen und sie in diesem goldenen Sarg sitzen zu lassen. Das Einzige, was sie jetzt tun konnten, war, die Initiative zu ergreifen und ihre Überzahl zu nutzen.

Die Welt verengte sich auf Blech und Atem, auf das dumpfe Pochen ihres eigenen Blutes, das in der Kiste wie gegen einen Helm trommelte. Sie tastete im Dunkel nach Lyz’ Hand, fand sie schließlich, und in dieser Berührung lag eine vergleichsweise simple Frage, die sie nicht aussprechen konnte: Bist du bei mir, wenn wir jetzt eventuell etwas sehr Dummes tun?

In ihrem Händedruck lag alles, was sie wissen musste. Sie grinste; das hörte sie. »Nez, wir können hier verfaulen oder wir können ein wenig frische Luft atmen und uns die Beine vertreten … oder jemanden treten. Ist mir beides recht.«

Draußen knirschte etwas, das durch ihr Funkgerät drang: ein Absatz auf Linoleum, eine Stimme – der Mann, der Téo etwas fragte, das deutlich weniger nach Frage klang, je länger er redete. Inez spürte, wie ihre Gedanken die gewohnten Haken schlugen: Optionen, Wege, Sackgassen. Nicht bewegen – das hatte sich jetzt ohnehin erledigt. Per Funk etwas erfinden? Eine schöne Lüge, aber nicht heute. Lyz’ Plan also, roh und mit all der Gewalt, die sie aufbringen konnten. Deckel auf, Gewicht nach vorn, den Mann dort treffen, wo es wehtat.

Sie legte die Stirn an Lyz’ Schläfe, so nah, dass sie wieder diesen Geruch nach Lavendel und Rauch wahrnahm. »Auf drei. Ich nach links, du nach rechts. Wenn du ihn siehst, geh auf die Hände. Ich halte ihn fest.« In der Kiste wurde es, so lächerlich das klingen mochte, noch enger. »Und wenn er schießen sollte …«

Sie zögerte, bevor sie sich zwang zu antworten. »Mach dich klein.« Ein kleines Lachen, das sie sich selbst nicht glaubte. Lyz lachte zurück. »Ich war noch nie besonders groß, weißt du?«

Die beiden stemmten die Hände gegen die Decke der Kiste. Die Klinke des Deckels fühlte sich nicht mehr warm, sondern eiskalt an. Inez zählte leise.

Eins.

»Wenn du mir nicht bald mal sagst, was hier abgeht …!« Die Stimme des Mannes wieder.

Zwei.

Lyz presste den Atem durch die Zähne; ein unangenehmes Geräusch.

Drei. Alles oder nichts.

Mit einem Schlag flog der Deckel nach oben, erwischte sofort eine Wand, prallte zurück, schlug noch einmal auf – und schon waren sie draußen, auf den Knien, auf den Händen, die Kiste zwischen ihnen und dem Flur, Téo ein schmaler Schatten im zu großen Overall, der sich erschrocken halb zur Seite drehte, halb vorwärts stolperte. Der Mann stand dort, völlig verdutzt und mit weit aufgerissenen Augen. So wie er nach Luft schnappte, sah er aus wie ein Fisch, der aus einem Fluss gezogen wurde.

Muskulös, die Haare kurz geschoren, tätowiert – das Schlimmste war jedoch die Pistole, gut sichtbar in einem Halfter.

Verdammt. Darum mussten sie sich zuerst kümmern.

Inez hatte ihn sofort im Blick und verlor keine Zeit: ein kurzer Sprint, vorbei an dem erstarrten Téo; dann rammte sie mit aller Kraft, die sie hatte, zuerst seine Schulter. Beide fielen zeitgleich zu Boden, und sein Geruch stieg ihr in die Nase; er roch nach Kaffee und altem Leder, nach Hitze.

Sie spürte, wie der Schlag nicht sauber saß – zu weit links, um ihn ernsthaft zu verletzen –, aber er reichte, um ihn zu Boden zu reißen. Lyz war schon da, rutschte die letzten Meter auf ihn zu, hob den Arm, packte das Handgelenk des Mannes mit beiden Händen und drehte es brutal herum, sodass der Mann ein lautes Zischen von sich gab und nach ihr trat – doch es klappte: Noch konnte er nicht nach der Waffe greifen.

Erstaunlicherweise rief er nicht nach Hilfe – vermutlich ging er davon aus, dass er schon mit den drei Halbwüchsigen fertig werden würde. Dann schließlich konnte Lyz nach der Waffe greifen und lockerte ihren Griff am Handgelenk des Mannes – und diese Chance nutzte er sofort. Er warf sich nach vorn und stieß Inez mit der Schulter gegen den Hals, was sie keuchend zurückweichen ließ.

Die Pistole, die Lyz nun endgültig aus seinem Halfter gezogen hatte, fiel zu Boden – ein stumpfer Klang, Metall auf Linoleum. Sie schlug gegen die Wand, glitt, fiel, blieb in einem Nest aus Kabeln liegen, die von einem offenen Schrank hingen wie Gedärme.

»Téo!«, rief Inez, und er war da, ohne zu wissen, was seine Hände konnten, aber mit dem Willen, sie zu benutzen: Er fing den Arm des Mannes ein, presste die Ellenbeuge nach hinten, wo er die Gelenke erwischen wollte, und für einen Moment sah es so aus, als hätten sie ihn, als wäre das alles eine hübsche, waghalsige Anekdote, die sie später in der Werkstatt erzählen würden, während La Golgotha auf einem Schreibtisch thronte und ihnen gebannt lauschte.

Doch dies war keine hübsche Anekdote.

Der Wachmann hatte ihnen etwas Entscheidendes voraus: Dienst, Routine, Reflex. Er tat das, was Soldaten tun, die gelernt haben, dass im Zweifelsfall das Tier in ihnen übernimmt. Er ging nach unten, nicht nach oben, ließ sich nicht aus dem Gleichgewicht zerren, sondern nahm es mit, drehte den Körper so, dass Téo ins Leere griff, und zog mit der freien Hand etwas von der Seite seines Gürtels, das zu klein für eine zweite Waffe schien.

Es klickte, zweimal, mehr nicht.

Ein ohrenbetäubender Knall.


Ein kurzer Hieb – und schon lag Lyz kreischend auf dem Boden und hielt sich das Bein, aus dem das rote Blut floss.

Die Welt schien anzuhalten.

Die zweite Bewegung des Wachmanns war reiner Drill. Er stieß die Schulter vor, die sie getroffen hatte, schob den Schmerz zur Seite, trat halb zurück, halb vor – genau in jenen Winkel, in dem seine drei Gegner sich gegenseitig behinderten. Sein Blick glitt an ihnen vorbei in den Flur, und irgendwo begannen sich Stiefel in Bewegung zu setzen und nach dem Grund für den lauten Knall zu fragen.

»Zurück!«, zischte Inez, und sie wusste, wie sinnlos das klang. Sie beugte sich über Lyz, deren Gesicht bleich war und deren Hände zitterten. Längst hatten sie den Wachmann vergessen.

»Ich bin okay«, log Lyz. Natürlich. Sie wollte ihr keine Angst machen, während das Leben vor ihr auf den Boden floss. Dann hörte sie ein weiteres Geräusch und drehte sich um.

Téo hatte sich am Wachmann vorbeigekämpft. Er sprang auf die Waffe im Kabelnest zu, stieß sie mit der Schuhspitze, als wolle er sie ins Nichts befördern, und in derselben Sekunde sah Inez, wie der Wachmann sich auch zu ihm umdrehte – doch sie konnte nur tatenlos zusehen. Er klappte das Handgelenk frei, riss an der kleinen Dose an seinem Gürtel, und die Luft wurde scharf. Reizgas – nicht viel, nur genug, um Téos verzweifelten Plan im Keim zu ersticken.

»Téo!«, schrie Inez.

Er taumelte, stieß an die Kiste, die mit einem beleidigten Quietschen antwortete, und schlug dann gegen den immer noch offenen Deckel, bevor er schließlich mit einem gutturalen Schrei zu Boden stürzte. Lyz keuchte, presste die Hand gegen ihren Oberschenkel.

Die Stiefel wurden lauter. Drei, vielleicht vier, vielleicht fünf – was spielte es jetzt für eine Rolle? Inez suchte mit der flachen Hand über den Boden, fand das Funkgerät, das sich unter die Kante der Kiste gerettet hatte, und drückte blind den Knopf, in der Hoffnung, irgendwo Hilfe holen zu können.

Nichts.

Dann wurde die Tür zum Flur aufgestoßen und Stiefel stürmten den Raum. Sie trugen dieselben schwarzen Uniformen und goldene Schädelringe an den Fingern. In ihen Augen lag kein Mitleid.

»Hände!«

Inez hob sie langsam und sah im Augenwinkel, wie Lyz dasselbe tat – wankend – und Inez konnte nur mit Tränen in den Augen zusehen, wie ihre Geschichte hier ihr Ende nahm. Téo blinzelte und stand noch immer im zu großen Overall da, als wäre er ein Junge, dem man die Uniform gegeben hatte, bevor man ihm erklärt hatte, wofür sie ist.

Jemand kniete neben Lyz, prüfte die Wunde und nickte knapp. »Die Schutzgarden sollen sich um die hier kümmern«, sagte er nur. Lyz biss die Zähne zusammen, und Inez, die ihr Gesicht kannte wie ihr eigenes, sah dort nichts als Trotz.

Die Handschellen fühlten sich kalt und schmerzhaft an. Sie führten sie durch den Flur, vorbei am Sanctum, in dem die Leute bereits neugierig schauten, hinaus auf die Straße, auf der die Schutzgarden warteten. Inez sah panisch hin und her, versuchte ihre Freunde zu erblicken, die in verschiedene Wagen gesteckt wurden, doch verlor sie sie schnell aus dem Blick.

Es war das letzte Mal, dass sie sie sehen sollte.







ENDE 3: SNAKES IN A BOX

ENDE 3: SNAKES IN A BOX

ENDE 3: SNAKES IN A BOX